Was ist ein Bußgeld?
Ein Bußgeld wird von einer Verwaltungsbehörde zur Ahndung einer Ordnungswidrigkeit verhängt und durch die Zahlung von Geld beglichen. Die Begriffe Bußgeld und Geldbuße sind im Alltagsgebrauch identisch. Es muss mindestens 5€ betragen. Im Bereich von 5€ bis 55€ spricht man auch von einem Verwarngeld. Das Bußgeld ist als verwaltungsrechtlicher Begriff von der strafrechtlichen Geldstrafe zu unterscheiden. Eine Geldstrafe wird sinngemäß zur Ahndung von Straftaten herangezogen.
Im Straßenverkehr ist die große Mehrzahl der Rechtsverstöße als Ordnungswidrigkeit einzuordnen. Bußgelder sind dort entsprechend häufig anzutreffen. Es gibt aber auch im Straßenverkehr schwere Rechtsverstöße, die als Straftat verfolgt werden. Zum Beispiel Fahrerflucht oder das Verursachen von Verkehrsunfällen unter Alkoholeinfluss. Wenn der Rechtsverstoß gleichzeitig Ordnungswidrigkeit und Straftat darstellt, wird nur das Strafgesetz angewendet.
Bußgeld | Geldstrafe |
Ahndung von Ordnungswidrigkeiten (geringfügige Verstöße) Höhe des Bußgeldes ist gesetzlich gedeckelt. | Ahndung von Straftaten (schwere Verstöße) Höhe der Geldstrafe wird vom Gericht festgelegt, oft einkommensabhängig |
Wie hoch ist das Bußgeld?
In den meisten Fällen von Ordnungswidrigkeiten hinter dem Steuer finden die üblichen Regelsätze des Bußgeldkatalogs Anwendung. Im Allgemeinen reichen Bußgelder von 5€ bis 1000€. Das Straßenverkehrsgesetz sieht dagegen für Ordnungswidrigkeiten ein maximales Bußgeld von 2000€ vor. Für Verstöße gegen die 0,5 Promille Grenze oder das Fahren unter Einfluss illegaler Drogen beträgt das maximale Bußgeld sogar 3000€.
(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu zweitausend Euro geahndet werden
§24a StVG „0,5 Promille-Grenze“
(4) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu dreitausend Euro geahndet werden
Die Obergrenze für das Bußgeld bezieht sich stets auf vorsätzlich begangene Ordnungswidrigkeiten. Bei fahrlässig begangenen Ordnungswidrigkeiten beträgt das Bußgeld maximal die Hälfte der Obergrenze.
Die Regelsätze für Unterschiedliche Verkehrsordnungswidrigkeiten finden Sie in der Bußgeldtabelle.
Diese Regelsätze in der Bußgeldtabelle gehen von „gewöhnlichen Tatumständen“ aus. Die meisten Regelsätze beziehen sich auf Verstöße, die typischerweise fahrlässig begangen werden. Demnach bewegen sich die Regelsätze eher im unteren Bereich dessen, was für den jeweiligen Verstoß als Bußgeld verlangt werden kann. Beim Vorwurf einer vorsätzlich begangenen Ordnungswidrigkeit kann das Bußgeld angemessen erhöht werden und so weit über dem Regelsatz liegen. Es ist also durchaus üblich, dass auf dem Bescheid im eigenen Briefkasten ein doppelt so hohes Bußgeld steht, wie in der Bußgeldtabelle.
Häufige Tatbestände mit Bußgeld
Bußgeld | Punkte | Fahrverbot |
20€ bis 800€ | 0 bis 2 | 0 bis 3 Monate |
Bußgeld | Punkte | Fahrverbot |
25€ bis 400€ | 0 bis 2 | 0 bis 3 Monate |
Bußgeld | Punkte | Fahrverbot |
90€ bis 360€ | 1 bis 2 | 0 bis 1 Monate |
Bußgeld | Punkte | Fahrverbot |
500€ bis 1500€ | 2 | 1 bis 3 Monate |
Bußgeld | Punkte | Fahrverbot |
100€ bis 200€ | 1 bis 2 | 0 bis 1 Monate |
Bußgeld | Punkte | Fahrverbot |
25€ bis 400€ | 0 bis 2 | keins |
Bußgeld | Punkte | Fahrverbot |
10€ bis 70€ | 0 bis 1 | keins |
Verwarnungs- und Bußgeldverfahren
Wie laufen Verwarnungs- und Bußgeldverfahren ab?
Eine gebührenpflichtige Verwarnung kann erteilt werden, wenn nur ein geringfügiger Verkehrsverstoß begangen wurde (in sehr geringfügigen Fällen kann auch eine gebührenfreie Verwarnung in Frage kommen). Verwarnungsgelder sind in § 56 Absatz 1 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) definiert; sie betragen mindestens 5€ und höchstens 70 €.
Für Verwarnungen mit Bußgeldern bis zu 70 € gibt es keine Punkte im Fahreignungsregister!
Eine solche Verwarnung kann durch die Bußgeldstelle ausgesprochen werden, aber auch durch Polizeibeamte vor Ort direkt ausgehändigt werden. Die Annahme einer Verwarnung vor Ort stellt zwar kein Schuldanerkenntnis dar. Wird sie jedoch aufgrund der Verwicklung in einen Unfall erteilt, wertet die Versicherung dies stets als Hinweis, dass der Betroffene den Unfall ganz oder teilweise durch verkehrsordnungswidriges Verhalten verursacht hat.
Das Verwarnungsgeld bei einer schriftlichen Verwarnung muss innerhalb einer Woche gezahlt werden (gem. § 56 Absatz 2 OWiG). Durch die fristgerechte Zahlung erklärt der Betroffene sich mit der Verwarnung einverstanden, und die Verwarnung wird wirksam. Damit ist das Verfahren beendet, und eine anderweitige Verfolgung der Tat ist damit ausgeschlossen.
Wenn der Beschuldigte das Verwarnungsgeld nicht fristgerecht bezahlt, und wenn die Bußgeldstelle das Verfahren nicht einstellt, obwohl der Betroffene zu dem Vorwurf Stellung genommen hat, wird ein Bußgeldverfahren eingeleitet.
Dies hat zur Folge:
- im Bußgeldbescheid werden zusätzlich zum Verwarnungsgeld Verfahrenskosten in Höhe von 28,50 € erhoben;
- in Folge eines Einspruchs ist nun ein gerichtliches Verfahren ermöglicht.
Anhörung im Bußgeld- und Verwarnungsverfahren
Auch bei einer gebührenpflichtigen Verwarnung hat jeder Beschuldigte das Recht, sich zu dem Vorwurf zu äußern. Dieses Recht zur Stellungnahme muss dem Betroffenen ausdrücklich eingeräumt werden. Allerdings ist die Form nicht vorgeschrieben. Wird der Fahrer aufgrund eines Verkehrsverstoßes direkt vor Ort angehalten, so gelten seine mündlichen Äußerungen als Anhörung zur Sache – eine weitere schriftliche Anhörung muss nicht zwingend erfolgen.
Der Betroffene hat in jeder Form der Anhörung das Recht, die Aussage zu verweigern oder zu schweigen. Er ist lediglich verpflichtet, vollständige und korrekte Informationen zur Person zu machen und auf Aufforderung Ausweis, Führerschein und Fahrzeugpapiere vorzulegen.
Manchmal wird der Beschuldigte auf eine örtliche Polizeiwache vorgeladen, um ihm dort Gelegenheit zu geben, zu dem Vorwurf Stellung zu nehmen. Einer solchen Vorladung muss man nicht nachkommen, und er muss zur Sache nicht aussagen. Er kann auch einen Rechtsanwalt beauftragen, seine Interessen bereits in der Anhörung zu vertreten. Der Beschuldigte muss auf all diese Rechte explizit hingewiesen werden.
Die häufigste Form der Anhörung erfolgt schriftlich, indem dem Beschuldigten ein Anhörungsbogen übersendet wird. Auch dieses Schreiben muss die oben genannten Hinweise auf die Rechte des Adressaten beinhalten. Ein Anhörungsbogen kann nicht einfach ignoriert werden. Allerdings ist der Betroffene lediglich verpflichtet, korrekte Angaben zur Person zu machen. Er muss keinerlei Aussagen zum Vorwurf oder zum Tathergang machen. Insbesondere muss er sich nicht zur Fahrereigenschaft äußern, also dazu, ob er das Fahrzeug zum Zeitpunkt des Vergehens geführt hat. Derartige Aussagen sollten in Abstimmung mit einem Anwalt erfolgen, da sie vorentscheidende Bedeutung für das weitere Verfahren haben können.
Wenn der Betroffene keinen Anhörungsbogen erhält, so bleibt sein Recht auf Anhörung und Äußerung zur Sache erhalten, sofern er Einspruch gegen den Bußgeldbescheid einlegt.
Zeugenfragebogen
In manchen Fällen ist dem Bearbeiter in der Bußgeldstelle bereits bei Ansicht des frontalen Beweisfotos klar, dass der Fahrzeughalter nicht der Fahrer gewesen sein kann. Dies ist häufig der Fall, wenn ein Familienangehöriger das Fahrzeug gefahren hat (beispielsweise wenn durch das Geschlecht bereits klar ist, dass Fahrer und Halter des Fahrzeuges nicht identisch sind), oder wenn es sich um ein Fahrzeug handelt, das auf eine Firma zugelassen ist.
In diesem Fall wird der Fahrzeughalter als Zeuge angeschrieben. Er erhält dann einen Zeugenfragebogen und wird darin befragt, wer zur fraglichen Zeit der Fahrer des Fahrzeuges gewesen ist. Auch dieses Dokument kann nicht einfach ignoriert werden. Allerdings kann der Fahrzeughalter in diesem Fall nur die Aussage verweigern, wenn er andernfalls sich selbst oder einen nahen Familienangehörigen belasten müsste.
Auf keinen Fall darf der Fahrzeughalter falsche Aussagen zum verantwortlichen Fahrer machen, da dies eine Falschaussage in einem behördlichen Verfahren darstellt und als Straftat verfolgt werden kann.
Die Polizei kann von der Bußgeldstelle um Hilfe gebeten werden, um weitergehende Ermittlungen anzustellen – unabhängig von den Auskünften im Zeugenfragebogen. In der Regel werden derartige Aktivitäten aber nicht im Zusammenhang mit Verwarnungsgeldern angestrengt, sondern nur bei Verstößen, die mit mindestens einem Punkt im Fahreignungsregister bestraft werden. Es kann vorkommen, dass Polizeibeamte die Wohnung des Fahrzeughalters aufsuchen, um auf diese Weise den Fahrer zum Zeitpunkt des Vergehens zu ermitteln.
Mittlerweile werden auch soziale Medien zur Ermittlung des Fahrers genutzt. Finden sich beispielsweise im Facebook- oder Pinterest-Account des Fahrzeughalters oder seiner Kontakte Fotos, auf denen der Fahrer zu erkennen ist, darf die Polizei dies als Beweismittel und als Anlass für weitere Ermittlungen verwenden.
Verjährung bei der Ermittlung des Fahrers
Allerdings haben die Bußgeldstellen und alle zur Hilfe herangezogenen Stellen nur 3 Monate Zeit, um den Fahrer bei einem Verkehrsverstoß zu ermitteln. Danach ist die Sache verjährt. Zusätzlich sind aber sämtliche Ereignisse zu beachten, die zu einer Unterbrechung der Verjährungsfrist führen.
Keine Halterhaftung, aber Fahrtenbuch
Da es in Deutschland keine Halterhaftung gibt, wird der Fahrzeughalter nicht für den Verstoß eines nicht zu ermittelnden Fahrers bestraft.
Wenn der Fahrer nicht ermittelt werden kann, es sich aber um ein schwerwiegendes Vergehen (mit mindestens 1 Punkt) handelt, können die Bußgeldstelle oder das Gericht die Auflage erteilen, für ein oder sogar zwei Jahre ein Fahrtenbuch zu führen.
Anders verhält es sich bei einem Parkverstoß. Zwar gibt es auch hier keine Halterhaftung, aber der Fahrzeughalter muss die Verfahrenskosten zahlen, wenn kein Fahrer ermittelt werden kann. Diese Kosten übersteigen in der Regel die Höhe des Verwarnungsgeldes. Diese Regelung beendete die bis Ende der 1980er gängige Praxis, bei Parkverstößen die Aussage zu verweigern und dadurch dem Verwarnungsgeld zu entgehen.
Auf keinen Fall darf der Fahrzeughalter falsche Aussagen zum verantwortlichen Fahrer machen, da dies eine Falschaussage in einem behördlichen Verfahren darstellt und als Straftat verfolgt werden kann.
Die durch den Halter zu tragenden Verfahrenskosten betragen im Allgemeinen mindestens 20,00€, zuzüglich einer Ausgabenpauschale von 3,50€.
Bußgeldverfahren
Wenn dem Betroffenen ausreichend Gelegenheit gegeben worden ist, sich zur Sache zu äußern und zum Tatvorwurf Stellung zu nehmen, prüft die Bußgeldstelle, ob der Sachverhalt hinreichend aufgeklärt ist. Sie stellt dann entweder einen Bußgeldbescheid aus, oder sie stellt das Verfahren ein.
Bußgeldbescheid
Der Bußgeldbescheid enthält mindestens folgende Informationen:
- Persönliche Daten des Beschuldigten
- Ort des Verkehrsverstoßes
- Zeit des Verkehrsverstoßes
- Vorschrift, gegen die verstoßen wurde
- Beweismittel
- Rechtliche Würdigung (falls der Betroffene sich zur Sache geäußert hat, erfolgt hier in der Regel auch ein Hinweis, wie dessen Einlassung gewürdigt und berücksichtigt wurde)
- Höhe der Geldbuße
- Höhe der Verfahrenskosten
- Fälligkeit
Und zusätzlich im Falle eines Fahrverbots:
- Dauer des Fahrverbots
- Frist zum Antritt des Fahrverbots
Einspruch gegen den Bußgeldbescheid
Frist für den Einspruch
Ein Einspruch gegen den Bußgeldbescheid muss binnen zwei Wochen nach dessen Zustellung erfolgen. Es gilt stets der Zeitpunkt der Zustellung, nicht der Zeitpunkt, zu dem der Betroffene den Bescheid zur Kenntnis genommen hat. Der Zeitpunkt der Zustellung wird in der Regel durch den Postzusteller festgehalten und auf dem Umschlag des Einschreibens vermerkt. Er meldet außerdem den Zeitpunkt der Zustellung an die Bußgeldstelle zurück.
Wenn die zweiwöchige Einspruchsfrist an einem Samstag, Sonntag oder Feiertag endet, verlängert sich die Frist bis zum Ende (24 Uhr) des nächsten Werktages.
Maßgeblich für die Fristeinhaltung ist der Eingang des Einspruchs bei der Behörde. Ist der Einspruch nicht innerhalb der Frist bei der Bußgeldstelle eingegangen, wird der Bußgeldbescheid rechtskräftig.
Frist versäumt? Antrag auf Wiedereinsetzung
Wenn der Betroffene ohne eigenes Verschulden die Frist nicht einhalten kann, besteht die Möglichkeit, einen Wiedereinsetzungsantrag zu stellen. Die rechtliche Grundlage ist §52 OWiG. Dabei wird das Verfahren in den Stand „zurückversetzt“, in dem es vor dem Ablauf der Frist war. Wenn es sich um die Einspruchsfrist gegen einen Bußgeldbescheid handelt, ist der Antrag an die Bußgeldstelle zu richten. Wurde dagegen ein Hauptverhandlungstermin oder – im Anschluss an ein Urteil – die Frist zur Rechtsbeschwerde versäumt, muss das Gericht über die Wiedereinsetzung entscheiden. Sobald das Hindernis, durch das die Frist versäumt wurde, entfällt, verbleibt eine Woche für die Antragstellung.
Was muss der Antrag auf Wiedereinsetzung beinhalten?
Der Antrag muss detaillierte Angaben darüber enthalten:
- welche Frist versäumt wurde
- welche Gründe bzw. Hindernisse zu dem Versäumnis geführt haben
- wann das Hindernis weggefallen ist
- warum das Versäumnis unverschuldet war (zum Beispiel plötzliche Erkrankung oder Unfall, Urlaub oder Geschäftsreise ohne Kenntnis des eingeleiteten Verfahrens)
- Nachweise für die vorgebrachten Tatsachen (zum Beispiel Reiseunterlagen, ärztliche Atteste, Unfallprotokolle, eidesstattliche Versicherungen von Zeugen, etc.)
Gleichzeitig mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung muss auch das versäumte Rechtsmittel nachgeholt werden, also der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid, der Antrag zur Rechtsbeschwerde, etc.
Wer kann Einspruch einlegen?
Der Einspruch muss durch einen Einspruchsberechtigten erfolgen. Dies kann der Beschuldigte selbst, ein von ihm bevollmächtigter Rechtsanwalt oder eine andere von ihm bevollmächtigte Person sein.
Form des Einspruchs
Der Einspruch wird an die Bußgeldstelle gerichtet, die den Bußgeldbescheid erlassen hat. Die Form ist nicht vorgeschrieben. Ein Einspruch kann schriftlich, per Telefax oder sogar telefonisch erfolgen. Von einem Einspruch per E-Mail raten viele Anwälte ab, da die Zustellung nicht gesichert ist, schon allein aufgrund der verschiedenen Spamfilter-Systeme.
Inhalte des Einspruchs
Aus dem Einspruch muss ersichtlich sein, wogegen Einspruch erhoben wird. Ein Einspruch muss sich nämlich nicht zwangsweise gegen den gesamten Bußgeldbescheid und alle seine Inhalte richten.
- Wenn mehrere Verstöße in einem Bußgeldbescheid geahndet werden, könnte sich der Einspruch nur gegen einen einzelnen Verstoß richten.
- Der Einspruch könnte sich lediglich gegen den Schuldvorwurf richten, indem zum Beispiel vorgebracht wird, dass Fahrlässigkeit anstelle von Vorsatz zu unterstellen ist.
- Oder es könnten nur die Rechtsfolgen angefochten werden, indem zum Beispiel der Anordnung eines Fahrverbotes widersprochen wird.
Begründung des Einspruchs
Wenn der Einspruch fristgerecht eingeht, muss die Bußgeldstelle diesen prüfen und eine Entscheidung treffen, wie mit der Ordnungswidrigkeit weiter verfahren werden soll. Da die Bußgeldbehörde zu diesem Zeitpunkt noch die zuständige Stelle ist, kann sie das Verfahren einstellen (gem. § 47 OWiG Absatz 1). Sie kann den Bußgeldbescheid zurücknehmen und damit dem Einspruch stattgeben, oder sie kann einen neuen, geänderten Bußgeldbescheid erlassen und auf diese Weise dem Einspruch ganz oder teilweise stattgeben. Sie kann zur Entscheidungsfindung auch zunächst weitere Ermittlungen durchführen.
Gerichtliches Verfahren
Hält die Bußgeldbehörde ihre Entscheidung aufrecht und nimmt keine Änderungen am Bescheid vor, wird die Ermittlungsakte an die Staatsanwaltschaft übergeben. Die Staatsanwaltschaft legt die Akte dann dem zuständigen Gericht vor.
Falls die Staatsanwaltschaft oder das Gericht auf Basis der Ermittlungsakte zu dem Schluss kommen, dass eine gerichtliche Verfolgung nicht angebracht ist, kann das Verfahren auch in diesem Stadium eingestellt werden. Wird das Verfahren zu diesem Zeitpunkt nicht eingestellt, bestehen folgende Möglichkeiten:
- Das Gericht setzt einen Termin für die Hauptverhandlung fest.
- Das Gericht teilt dem Betroffenen mit, dass es beabsichtigt, ohne Verhandlung auf Basis der Ermittlungsakte zu entscheiden (gem. § 72 OWiG). Der Betroffene muss hierzu gehört werden. Wenn er diesem Ansinnen des Gerichtes nicht widerspricht, entscheidet das Gericht ohne Hauptverhandlung im schriftlichen Verfahren, darf aber in diesem Fall die im Bußgeldbescheid festgesetzten Strafen nicht erhöhen.
Hauptverhandlung
Kommt es zu einer mündlichen Verhandlung, ist der Betroffene grundsätzlich zum persönlichen Erscheinen verpflichtet – und zwar auch dann, wenn er von einem Rechtsanwalt vertreten wird und weit vom Gerichtsort entfernt wohnt. Das Gericht wird einem Antrag auf Entbindung von dieser Anwesenheitspflicht stattgeben,
- wenn der Betroffene sich entweder schon zur Sache geäußert hat,
- wenn er erklärt hat, dass er in der Verhandlung von seinem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch machen will,
- und wenn darüber hinaus das Gericht zu der Ansicht gelangt, dass der Sachverhalt auch ohne persönliche Anwesenheit des Betroffenen geklärt werden kann.
Soll jedoch die Fahrereigenschaft durch die Identifizierung mit Hilfe eines Frontfotos festgestellt werden, wird das Gericht den Betroffenen nicht von der Anwesenheitspflicht entbinden.
Neben dem Betroffenen wird das Gericht alle Personen als Zeugen laden, die für die Aufklärung des Sachverhaltes wichtig sind. Dies können außer den bei der Feststellung der Ordnungswidrigkeit beteiligten Polizeibeamten und Mitarbeitern des Ordnungsamtes insbesondere Experten sein, die mit ihrem Sachwissen die strittigen Punkte aufklären können – zum Beispiel die Genauigkeit und Zuverlässigkeit des eingesetzten Messverfahrens, die Übereinstimmung des Beschuldigten mit dem Frontfoto, oder den genauen Unfallhergang.
In der Hauptverhandlung werden zunächst die Inhalte des Bußgeldbescheides noch einmal dargestellt. Das Gericht weist den Betroffenen auf seine Rechte hin, insbesondere auf sein Recht, zur Sache zu schweigen. Auch hinsichtlich der persönlichen Verhältnisse (Einkommen, Unterhaltspflichten) muss der Betroffene zu diesem Zeitpunkt keine Auskunft erteilen. Er muss jedoch seine Personalien korrekt angeben und gegebenenfalls korrigieren.
Jede Aussage zur Sache sollte mit einem Rechtsanwalt abgestimmt werden.
Wenn der Betroffene hinsichtlich seiner Rechte belehrt wurde und die Gelegenheit zur Aussage hatte (gleich, ob er aussagt oder schweigt), findet die Beweisaufnahme statt. Dazu werden Zeugen und gegebenenfalls Sachverständige gehört. Auch in diesem Stadium des Verfahrens können noch Beweise vorgebracht werden, die zur Entlastung des Betroffenen führen sollen. Jedoch muss der Richter an dieser Stelle nicht jeden Beweisantrag annehmen. Er kann den Antrag zurückweisen, wenn beispielsweise die nachträgliche Benennung eines Zeugen dazu führen würde, dass die Beweiserhebung nicht abgeschlossen werden kann und deshalb ein neuer Verhandlungstermin festgesetzt werden müsste. Auch wenn der Richter den Sachverhalt für hinreichend geklärt hält, muss er keine weiteren Beweisvorträge annehmen. Es ist deshalb wichtig, mit dem Verteidiger genau abzustimmen, wann welcher Beweis vorgebracht werden sollte.
Ist die Beweisaufnahme abgeschlossen, werden für das Urteil relevante Schriftstücke verlesen, zum Beispiel bestehende Einträge im Fahreignungsregister, oder Bußgeldbescheide, die im Verlauf der letzten 12 Monate rechtskräftig geworden sind und sich auf das Strafmaß auswirken können. Dann erhält zunächst der Verteidiger die Gelegenheit zu einem Plädoyer, und anschließend darf der Betroffene noch einmal Stellung nehmen (er hat „das letzte Wort“).
Anschließend verkündet das Gericht sein Urteil. Falls die Sache noch nicht entschieden werden kann, wird ein Folgetermin angesetzt.
Das Gerichtsurteil im Bußgeldverfahren
Freispruch
Wenn das Gericht zu der Ansicht gelangt ist, dass der Beschuldigte den Verstoß nicht begangen hat, erfolgt ein Freispruch. Dies kommt nur selten vor, da die Bußgeldbehörden angewiesen sind, im Vorfeld hinreichend genau zu ermitteln, wer die Tat begangen hat, und ob diese auch bewiesen werden kann. Zudem prüft auch die Staatsanwaltschaft noch einmal, ob ein Gerichtsverfahren mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer Verurteilung führen kann. Kommt es dennoch zu einem Freispruch, so trägt die Staatskasse sämtliche Verfahrenskosten und zusätzlich alle notwendigen Aufwendungen des Betroffenen. Die umfasst auch die Kosten für den Rechtsanwalt.
Einstellung des Verfahrens
Sehr viel häufiger entscheidet das Gericht, das Verfahren einzustellen (gem. § 47 Abs. 2 OWiG). Gründe für eine Einstellung können insbesondere sein:
- Die Schuld des Betroffenen ist gering.
- Es bestehen Zweifel am Messverfahren.
- Die Fahrereigenschaft ist nicht eindeutig erwiesen.
Selbst wenn die bestehenden Unklarheiten durch Gutachten und weitere Sachverständige eventuell aufgeklärt werden könnten, kann das Gericht entscheiden, das Verfahren dennoch einzustellen, weil weitere Maßnahmen unverhältnismäßig teuer wären und nicht in einem vernünftigen Verhältnis zum Tatvorwurf stehen.
Wird das Verfahren eingestellt, geht der Betroffene völlig straffrei aus. Er muss aber alle seine Aufwendungen selbst tragen, sofern keine Rechtsschutzversicherung besteht, die die Kosten für seine Verteidigung übernimmt. Dies umfasst insbesondere auch die Kosten für den Rechtsanwalt.
Bei einer Verfahrenseinstellung erfolgt kein Eintrag im Fahreignungsregister. Die Einstellung schließt das Verfahren endgültig ab. Rechtsmittel sind nicht zugelassen.
Verurteilung
Wenn das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass die Vorwürfe im Bußgeldbescheid korrekt sind und der Betroffene sich der Ordnungswidrigkeit schuldig gemacht, erfolgt eine Verurteilung.
INFO: In manchen Fällen gibt das Gericht einen Hinweis, dass es zu einer Verurteilung kommen wird. Dann kann überlegt werden, ob der Einspruch zurückgenommen werden sollte. Diese Möglichkeit besteht jederzeit während der Hauptverhandlung, solange das Urteil noch nicht verkündet ist. Durch eine Einspruchsrücknahme vermeidet der Betroffene, dass das Urteil für ihn schlechter ausfällt als die Strafe im Bußgeldbescheid. Außerdem fallen die Gerichtskosten dann etwas niedriger aus.
Wenn das Gericht ein Urteil fällt, ist es in keiner Weise an den Bußgeldbescheid gebunden. Das Urteil kann für den Betroffenen besser oder schlechter ausfallen. Auf Basis der Beweisaufnahme führt das Gericht eine neue, eigenständige rechtliche Bewertung durch. Dabei kann das Gericht zu einer abweichenden rechtlichen Bewertung gelangen oder auch andere Rechtsfolgen (Bußen) festlegen. Eine Verschlechterung im Gerichtsurteil ist nur ausgeschlossen, wenn das Gericht im schriftlichen Verfahren, d.h. ohne Hauptverhandlung entscheidet und der Betroffene einem solchen Verfahren nicht aktiv widersprochen hat.
Rechtsbeschwerde
Wenn ein Urteil ergeht, sind die Überprüfung des Tatvorwurfs und des Tathergangs sowie aller relevanten Tatumstände abgeschlossen. Eine erneute Überprüfung aufgrund einer Berufung oder Revision ist im Ordnungswidrigkeitenrecht – anders als im Strafrecht – nicht vorgesehen. Das einzig zugelassene Rechtsmittel ist die Rechtsbeschwerde. Eine Rechtsbeschwerde ist aber nur zulässig, wenn dem Gericht entweder ein Gesetzesverstoß oder ein Verfahrensfehler vorgeworfen werden kann und die Geldbuße mehr als 100€ beträgt. Ein solcher Verfahrensfehler läge zum Beispiel vor, wenn der Betroffene nicht ausreichend angehört wurde.
Eine Rechtsbeschwerde ist generell nur bei Geldbußen von mindestens 250 € oder bei Fahrverboten zulässig.
Liegen die Bußen darunter, sind Rechtsbeschwerden nur zulässig, wenn gem. § 80 OWiG „die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts“ führen soll, oder wenn die Beschwerde zur „Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung“ dient (§ 80 OWiG). Die Rechtsbeschwerde muss beantragt und vom Beschwerdegericht (in der Regel ist dies ein Oberlandesgericht) genehmigt werden. Eine Rechtsbeschwerde würde beispielsweise der Fortbildung des Rechts dienen, wenn es hinsichtlich der Gültigkeit einer Verkehrsvorschrift Zweifel gibt. Wenn es zu dem Gegenstand der Verhandlung unterschiedliche Rechtsprechung gibt, kann die Rechtsbeschwerde sinnvoll sein, damit das Oberlandesgericht die unterschiedlichen Urteile würdigt und eine verbindliche Aussage trifft. Die Rechtsbeschwerde kann auch zulässig sein, wenn ein Richter von einer gefestigten Rechtslage wiederholt abweicht.
Insgesamt sind die Hürden für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde hoch, so dass die meisten Ordnungswidrigkeitsverfahren in der ersten Instanz, also beim Amtsgericht entschieden werden.
Fristen für die Rechtsbeschwerde
Die Rechtsbeschwerde bzw. der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde muss binnen einer Woche nach Kenntnisnahme des Urteils eingelegt werden. Dieser Zeitpunkt ist entweder die Verkündung des Urteils oder, falls der Betroffene nicht anwesend war, die Zustellung des Gerichtsurteils. Die Rechtsbeschwerde muss entweder durch einen Rechtsanwalt oder durch Protokollierung beim Gericht substantiell begründet werden. Dazu hat man einen Monat Zeit. Der Monat beginnt mit dem Ablauf der Einlegefrist oder, falls diese später erfolgt, mit der Zustellung der Urteilsgründe.