Neuer Bußgeldkatalog 2021: Deutlich höhere Bußgelder für Geschwindigkeitsverstöße
Der neue Bußgeldkatalog gilt ab dem 9 November 2021.
Die „Erste Verordnung zur Änderung der Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV-Novelle)“ wurde am 19. Oktober 2021 im Bundesgesetzblatt (BGBl. I S. 4688) verkündet.
Am 8. Oktober 2021 hatte der Bundesrat der BKatV-Novelle einstimmig zugestimmt.
Am 16.04.2021 haben sich die Verkehrsminister der Bundesländer und der Bundesverkehrsminister auf neue Strafen im Bußgeldkatalog geeinigt. Änderungen sind in den folgenden Tabellen rot hinterlegt. Die neuen Bußgelder betreffen:
- Geschwindigkeitsverstöße
- Nichtbilden oder Durchfahren einer Rettungsgasse
- Park- und Halteverstöße
- Überschreiten der Schrittgeschwindigkeit beim Rechtsabbiegen innerorts mit einem LKW
- Nutzung von Gehwegen, linksseitig angelegten Radwegen und Seitenstreifen
- Auto-Posing: Unnütze Belästigung durch Lärm und Abgase
Geschwindigkeitsverstöße
innerorts
Überschreitung | Bußgeld bis 09.11.2021 | Bußgeld ab 09.11.2021 | Punkte (unverändert) | Fahrverbot (unverändert) |
---|---|---|---|---|
Bis 10 km/h | 15€ | 30€ | - | - |
11 – 15 km/h | 25€ | 50€ | - | - |
16 – 20 km/h | 35€ | 70€ | - | - |
21 – 25 km/h | 80€ | 115€ | 1 | - |
26 – 30 km/h | 100€ | 180€ | 1 | 1 Monat* |
31 – 40 km/h | 160€ | 260€ | 2 | 1 Monat |
41 – 50 km/h | 200€ | 400€ | 2 | 1 Monat |
51 – 60 km/h | 280€ | 560€ | 2 | 2 Monate |
61 – 70 km/h | 480€ | 700€ | 2 | 3 Monate |
Über 70 km/h | 680€ | 800€ | 2 | 3 Monate |
* Ein Fahrverbot wird in der Regel nur verhängt, wenn innerhalb von 12 Monaten zweimal Geschwindigkeitsverstöße von 26 km/h oder mehr begangen werden („Beharrliche Verletzung der Pflichten“).
außerorts
Überschreitung | Bußgeld bis 09.11.2021 | Bußgeld ab 09.11.2021 | Punkte (unverändert) | Fahrverbot (unverändert) |
---|---|---|---|---|
Bis 10 km/h | 10 € | 20€ | - | - |
11 – 15 km/h | 20 € | 40€ | - | - |
16 – 20 km/h | 30 € | 60€ | - | - |
21 – 25 km/h | 70 € | 100€ | 1 | - |
26 – 30 km/h | 80 € | 150€ | 1 | 1 Monat* |
31 – 40 km/h | 120 € | 200€ | 1 | 1 Monat* |
41 – 50 km/h | 160 € | 320€ | 2 | 1 Monat |
51 – 60 km/h | 240 € | 480€ | 2 | 1 Monat |
61 – 70 km/h | 440 € | 600€ | 2 | 2 Monate |
Über 70 km/h | 600 € | 700€ | 2 | 3 Monate |
* Ein Fahrverbot wird in der Regel nur verhängt, wenn innerhalb von 12 Monaten zweimal Geschwindigkeitsverstöße von 26 km/h oder mehr begangen werden („Beharrliche Verletzung der Pflichten“).
Nichtbilden oder Durchfahren einer Rettungsgasse
Vorwurf | Bußgeld | Punkte | Fahrverbot |
---|---|---|---|
Sie bildeten auf einer Autobahn oder Außerortsstraße keine freie Gasse zur Durchfahrt von Polizei- oder Hilfsfahrzeugen, obwohl der Verkehr stockte. | 200€ | 2 | 1 Monat |
... mit Behinderung | 240€ | 2 | 1 Monat |
... mit Gefährdung | 280€ | 2 | 1 Monat |
... mit Sachbeschädigung | 320€ | 2 | 1 Monat |
Sie unterließen es, einem Einsatzfahrzeug mit blauem Blinklicht und Martinshorn sofort freie Bahn zu schaffen. | 240€ | 2 | 1 Monat |
... mit Gefährdung | 280€ | 2 | 1 Monat |
... mit Sachbeschädigung | 320€ | 2 | 1 Monat |
Sie nutzten unberechtigt eine außerorts bei stockendem Verkehr gebildete Rettungsgasse (neuer Tatbestand) | 240€ | 2 | 1 Monat |
... mit Behinderung | 280€ | 2 | 1 Monat |
... mit Gefährdung | 300€ | 2 | 1 Monat |
... mit Sachbeschädigung | 320€ | 2 | 1 Monat |
Park- und Halteverstöße
Vorwurf | Bußgeld bis 09.11.2021 | Bußgeld ab 09.11.2021 | Fahrverbot ab 09.11.2021 |
---|---|---|---|
Parken oder Halten im allgemeinen Park- oder Halterverbot | 15€ | 55€ | - |
Unberechtigtes Parken auf einem Schwerbehinderten-Parkplatz | 35€ | 55€ | - |
Unberechtigtes Parken auf einem Parkplatz für elektrisch betriebene Fahrzeuge und Carsharing-Fahrzeuge | - | 55€ | - |
Parken auf Geh- und Radwegen, unerlaubtes Halten auf Schutzstreifen, Parken und Halten in zweiter Reihe | 25€ | 100€ | - |
Parken in einer amtlich gekennzeichneten Feuerwehrzufahrt oder Parken mit Behinderung eines Rettungsfahrzeuges | 10€ bis 100€ | 100€ | 1 Monat |
Zu schnelles Abbiegen innerorts (LKW)
Vorwurf | Bußgeld bis 09.11.2021 | Bußgeld ab 09.11.2021 |
---|---|---|
Mit dem LKW innerorts rechts abgebogen und dabei schneller als Schrittgeschwindigkeit gefahren | - | 70€ |
Nutzung von Gehwegen, Radwegen und Seitenstreifen
Vorwurf | Bußgeld bis 09.11.2021 | Bußgeld ab 09.11.2021 |
---|---|---|
Vorschriftswidrige Nutzung von Gehwegen, linksseitig angelegten Radwegen und Seitenstreifen ohne gesonderte Erlaubnis | Bis 25€ | Bis 100€ |
Auto-Posing: Unnütze Belästigung durch Lärm und Abgase
Vorwurf | Bußgeld bis 09.11.2021 | Bußgeld ab 09.11.2021 |
---|---|---|
Belästigendes und unnützes Hin- und Herfahren, Verursachung von unnötigen Umweltbelastungen, insbesondere unnötiger Lärm und Abgase | 20€ | Bis 100€ |
Ab wann sind die neuen Strafen im Bußgeldkatalog gültig?
Der neue Bußgeldkatalog gilt ab dem 9. November 2021.
Der Reformentwurf, der am 15.04.2021 ausgehandelt und am 16.04.2021 veröffentlicht wurde, wird auch als „Schaefer-Kompromiss“ bezeichnet. Der Kompromiss war federführend durch Maike Schaefer, Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz (VMK) und Senatorin für Verkehr und Mobilität in Bremen, mit Bundesverkehrsminister Scheuer ausgehandelt worden. Die anderen Bundesländer stimmten einstimmig zu.
Bereits am 28.04.2020 war die Straßenverkehrsordnung – STVO – reformiert worden, allerdings wurden die Strafen im Bußgeldkatalog zurückgenommen, da in der Verordnung des Verkehrsministeriums der Hinweis auf alle Rechtsgrundlagen (Zitiergebot) fehlte. Aufgrund dieses Formfehlers stritten das Bundesministerium und die Verkehrsminister der Länder monatelang darüber, ob die Verordnung nicht dennoch gültig sei, oder ob der Formfehler nicht durch eine einfache Korrektur bzw. eine neue Verordnung seitens des Bundesverkehrsministers zu heilen wäre. Der Verkehrsminister weigerte sich aber, die Verordnung zu erneuern, da mittlerweile erhebliche Kritik an den schärferen Regeln entbrannt war, insbesondere was die Fahrverbote anging. Tausende von Bußgeldbescheiden mussten zurückgenommen werden. Besonders unglückliche Autofahrer mussten tatsächlich aufgrund der später ungültigen Verordnung einen Monat lang zu Fuß gehen.
Seitdem hatten das Bundesministerium und die Verkehrsminister der Länder kontroverse Diskussionen über die zukünftigen Strafen im Bußgeldkatalog geführt. Der Hauptpunkt der Diskussionen betraf die Regelungen für überhöhte Geschwindigkeit. In der Novelle von 2020 waren Fahrverbote bereits ab 21 km/h zu schnell innerorts und 26 km/h zu schnell außerorts vorgesehen, die seit 2014 gültigen Regelungen, dass Fahrverbote in diesen Geschwindigkeitsbereichen nur bei Wiederholungstätern verhängt wurden, sollte außer Kraft gesetzt werden.
Die erste Rezeption der Einigung und der daraus resultierenden neuen Regelungen war überwiegend positiv. Gerhard Hillebrand, Verkehrspräsident des ADAC, befürwortet die Streichungen der Fahrverbote ab 21 km/h innerorts und ab 26 km/h außerorts, da diese aus Sicht des ADAC unverhältnismäßig waren. Die nunmehr beabsichtigten deutlich höheren Bußgelder stießen auf Zustimmung durch den ADAC. Raserei sei weiterhin nicht akzeptabel und müsse sanktioniert werden.
Die Vize-Bundesvorsitzende des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs ADFC begrüßte die Einigung, da nun endlich die neuen Regelungen zum Schutz für Radfahrende greifen können. Die ein Jahr lang andauernde Auseinandersetzung um vermeintlich zu hohe Strafen für Raser sei aus ihrer Sicht völlig unnötig gewesen und habe ein Jahr lang die Sicherheit von Radfahrenden gefährdet.
Der Berliner Verkehrsstaatssekretär Ingmar Streese begrüßte insbesondere, dass der Schutz der schwächsten Verkehrsteilnehmenden (Fußgänger und Radfahrer) gestärkt wurde und betonte, dass Polizei und Ordnungsbehörden nun gefordert seien, um die neuen Regeln auch durchzusetzen.
Die Einigung zwischen Bund und Ländern kam überraschend, da mehrere Kompromissvorschläge im Laufe der zähen Verhandlungen bereits gescheitert waren. Die CDU/CSU und die Grünen warfen sich gegenseitig Blockadehaltungen vor. Während sich die Länder mit grüner Regierungsbeteiligung mehrheitlich für die verschärften Fahrverbote stark gemacht hatten, lehnte die Union diese frühen Fahrverbote als unverhältnismäßig ab. Zwischenzeitlich hatten mehrere Einigungsvorschläge keine Annäherung herbeigeführt. Unter anderem wurde diskutiert, die schärferen Fahrverbotsregelungen wenigstens im Bereich von Kindergärten und Schulen gelten zu lassen, doch auch dafür hatte sich keine Mehrheit gefunden.
Deshalb hatte alles danach ausgesehen, dass kein Konsens für neue Regelungen in der gegenwärtigen Legislaturperiode erzielt werden könnte, so dass erst neue Verhandlungen nach der Bundestagswahl im September zu einer möglichen Einigung führen würden. Durch die am 16.04.2021 erzielte Einigung kann die STVO-Novelle vom 28.04.2020 mit den Änderungen im Bußgeldkatalog vom 16.04.2021 doch noch vor der nächsten Legislaturperiode in Kraft treten, so dass insbesondere der verbesserte Schutz von Fußgängern und Radfahrenden greifen kann.
Bilder:
Andreas Scheuer, Fotograf Studio Weichselbaumer, CC BY-SA 3.0
Fahrradspur mit Radfahrerin, Lupus in Saxonia, CC BY-SA 4.0