Der bundeseinheitliche Bußgeldkatalog
Bis zum Anfang des Jahrhunderts galten noch unterschiedliche Bußgeldvorschriften in den verschiedenen Bundesländern. Erst am 01.01.2002 trat erstmals die länderübergreifende Verordnung in Kraft, und zwar unter dem heute noch gültigen Namen „Verordnung über die Erteilung einer Verwarnung, Regelsätze für Geldbußen und die Anordnung eines Fahrverbotes wegen Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr (Bußgeldkatalog-Verordnung – BKatV)“. Die heute gültige Fassung stammt aus dem Jahr 2013 und trat am 01.05.2014 in Kraft. Kleinere Änderungen werden aber fast in jedem Jahr vorgenommen.
Die Bußgeldkatalog-Verordnung stellt damit die Basis für die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten dar. Die Abgrenzung zur Straftat im Straßenverkehr wird nicht im Bußgeldkatalog, sondern durch das Strafgesetzbuch (StGB) geregelt. Der §315c legt unter dem Titel „Gefährdung des Straßenverkehrs“ fest, wann aus einer Ordnungswidrigkeit eine Straftat wird.
Im Bußgeldkatalog sind noch weitere Unterscheidungen festgelegt. Kann zum Beispiel für Verstöße, die normalerweise fahrlässig begangen werden, ein Vorsatz nachgewiesen werden, so verdoppelt sich die jeweilige Geldbuße.
Bei einigen Verstößen wird zugrunde gelegt, dass sie nicht fahrlässig, sondern stets vorsätzlich begangen werden. Dies sind beispielweise die Benutzung eines Mobiltelefons ohne Freisprecheinrichtung während der Fahrt, die Teilnahme an illegalen Autorennen (die Strafen dafür wurden am 24 August 2017 erheblich verschärft), oder die Benutzung eines Radarwarngerätes zur Warnung vor Blitzern (dazu zählen auch Mobiltelefone mit entsprechenden Funktionen). Diese regelmäßig vorsätzlich begangenen Verstöße sind im Bußgeldkatalog gesondert geregelt.
Der Bußgeldkatalog ist dem Ordnungswidrigkeitengesetz untergeordnet. Grundsätzlich sieht das Gesetz Geldstrafen für vorsätzlich begangene Ordnungswidrigkeiten von mindestens 5 €, höchstens aber 2.000 € vor. Ausnahme sind Alkohol- und Drogenverstöße (§24a StVG), für die eine Höchstgrenze von 3.000 € vorgesehen ist. Bei fahrlässigen Verstößen gelten Höchstsätze von 1.000 € bzw. 1.500 €.
Ziele des Bußgeldkatalogs
Vereinheitlichung
Bis zum Jahr 2001 gab es keine einheitlichen Bußgeldregelungen für ganz Deutschland. Jedes Bundesland konnte Bußgelder für Verkehrsverstöße in Eigenregie festlegen. Mit der Einführung eines bundesweit einheitlichen Katalogs wurde ein stark praxisrelevanter Teil des Verkehrsrechts für Autofahrer wesentlich vereinfacht.
Schnelle Verfahren
Der Bußgeldkatalog ermöglicht schnelle, einheitliche Verfahren durch die Verwaltung und hat das Ziel, die Gerichte möglichst von der Belastung durch Ordnungswidrigkeitsverfahren zu entlasten. Dieses Ziel wird für sogenannte „unbedeutende Ordnungswidrigkeiten“ weitgehend erreicht. Dies sind Vergehen, die mit Verwarnungsgeldern von weniger als 60 Euro bestraft werden. Früher gab es zahlreiche Widerspruchsverfahren bei unbedeutenden Ordnungswidrigkeiten, mit der Einführung des BKatV wurde hier ein deutlicher Rückgang erreicht.
Entlastung der Gerichte
Problematisch bleiben jedoch die Vergehen, die zu Punkten und Fahrverboten führen. Insbesondere bei drohenden Fahrverboten legen die Betroffenen häufig Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ein. Die Häufigkeit der Einsprüche wird auch dadurch gestützt, dass sehr viele deutsche Autofahrer eine Verkehrsrechtsschutzversicherung haben, die die Kosten für Einsprüche in Bußgeldverfahren übernehmen muss.
Systematik im Bußgeldkatalog 2024
Die Verordnung unterscheidet Verstöße im Straßenverkehr wie folgt:
Verstöße ohne Sicherheitsgefährdung, die mit Verwarnungsgeldern geahndet werden, werden nicht im Fahreignungsregister eingetragen. Mit Zahlung des Verwarnungsgeldes endet das Verfahren.
Schwere Verstöße mit Sicherheitsgefährdung werden mit einem Punkt im Fahreignungsregister registriert. Ein Fahrverbot wird nur ausgesprochen, wenn binnen 12 Monaten zwei Verstöße registriert werden. Der Eintrag mit einem Punkt verjährt nach zweieinhalb Jahren.
Bei sehr schweren Verstößen mit gravierender Gefährdung der Sicherheit werden regelmäßig Fahrverbote verhängt, die von einem bis zu drei Monaten dauern können. Zudem werden zwei Punkte im Fahreignungsregister registriert. Der Eintrag mit zwei Punkten verjährt erst nach fünf Jahren.
Straftaten im Straßenverkehr sind nicht einheitlich im Bußgeldkatalog geregelt. Sie werden immer im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens beurteilt. Die Richter haben bei der Festlegung der Strafen erhebliche Freiheitsgrade. Ein Eintrag mit 3 Punkten im Fahreignungsregister ist allerdings sicher. Der Eintrag mit 3 Punkten verjährt erst nach zehn Jahren.
Als grobe Einschätzung der Grenze zwischen Verstößen ohne Sicherheitsgefährdung, die nur mit Verwarngeldern geahndet werden, und schweren Verstößen dient die Schwelle von 60 Euro. Ab dieser Summe wird die Geldstrafe nicht mehr als Verwarnung, sondern als Geldbuße bezeichnet, und in der Regel wird auch 1 Punkt eingetragen. Es gibt aber Verstöße, die mit höheren Bußgeldern belegt werden, ohne dass Punkte im Fahreignungsregister eingetragen werden.
Zum Beispiel:
• Führen eines LKWs unter Missachtung des Sonn- und Feiertagsfahrverbotes
→ Hier wird eine Geldbuße von 380 Euro für den Halter des Fahrzeuges verhängt. Es erfolgt aber kein Eintrag von Punkten im Fahreignungsregister.
• Unkorrekte oder fehlende Einträge im Fahrtenbuch, obwohl eine entsprechende Auflage besteht
→ Es wird ein Bußgeld von 100 Euro verhängt. Auch hier findet kein Eintrag von Punkten im Fahreignungsregister statt.
Diese Verstöße (und einige andere mehr) sind nicht im Bußgeldkatalog geregelt. Insbesondere die speziellen Vorschriften für Berufskraftfahrer finden sich nicht im allgemeinen Bußgeldkatalog. Sie sind in speziellen internen Verwaltungskatalogen spezifiziert.
Abweichungen von den Regelungen des Bußgeldkataloges
Da der Bußgeldkatalog als Rechtsverordnung konzipiert ist, können die Bußgeldstellen und die Verkehrsgerichte nicht frei über die Bußgeldhöhe entscheiden. Sie sind vielmehr an die Vorschriften des Bußgeldkataloges gebunden, sofern es sich um einen Regelfall ohne besondere Umstände handelt. Die Bußgeldbehörde geht normalerweise von einem derartigen Regelfall aus, sofern ihr nicht klare Hinweise auf besondere Umstände vorliegen.
Wird ein Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt, gibt die Bußgeldstelle den Fall an das Gericht ab. Das Gericht darf nicht einfach von einem Durchschnittsfall ausgehen, sondern muss dies zunächst prüfen. Erst nach erfolgter Prüfung darf das Gericht die Regelsätze des Bußgeldkataloges anwenden. Wenn das Gericht aber Abweichungen vom Regelfall feststellt, darf es die Buße entsprechend anpassen. Ergibt die Prüfung beispielsweise, dass der Verstoß gegen eine neue, noch nicht weitgehend bekannte Vorschrift erfolgte, kann ein geringeres Bußgeld verhängt werden.
Liegen dagegen bereits Voreintragungen vor, darf das Gericht das Bußgeld nach eigenem Ermessen „angemessen“ erhöhen. Wenn das Fahreignungsregister bereits mehrere Punkte aufweist, oder wenn die vorhandenen Punkte für das gleiche Vergehen wie der aktuelle Verstoß eingetragen wurden, wird der Verstoß als überdurchschnittlich schwerwiegend betrachtet und entsprechend strenger geahndet. Man spricht in diesem Fall von „beharrlichen Verstößen gegen die Vorschriften“. Bei vorsätzlichen Vergehen, die mit mindestens 60 Euro geahndet werden, sieht § 3 Absatz 4a BKatV eine Verdoppelung der Geldbuße vor.
Das Gericht darf bei Abweichungen vom Regelfall auch die wirtschaftlichen Umstände des Betroffenen berücksichtigen. Verdient dieser weit überdurchschnittlich, so kann eine erhöhte Geldbuße verhängt werden. Ist dagegen der Betroffene wirtschaftlich kaum in der Lage, den Regelsatz oder die erhöhte Buße zu zahlen, kann das Gericht die Geldbuße auch reduzieren. Die Punkte werden in Flensburg aber unabhängig von einer etwaigen Verringerung der Geldbuße dennoch so eingetragen, wie es der Bußgeldkatalog vorsieht.
Typische Abweichungen vom Regelfall
Bei der Prüfung, ob ein Sonderfall (und damit eine Abweichung vom Regelfall) vorliegt, unterscheidet das Gericht die beiden folgenden Kategorien:
Besondere Umstände im Tathergang
Diese ergeben sich immer dann, wenn nur eine leichte Unachtsamkeit bzw. ein Augenblicksversagen vorliegt, zum Beispiel wenn ein einzelnes Verkehrsschild übersehen wurde. Auch bei Rotlichtverstößen können besondere Umstände zu einem ungewollten Verstoß führen. Einige Beispiele:
• Der Fahrer eines Kfz lässt sich durch abbiegende Fahrzeuge „mitziehen“, für die ein eigenes Lichtzeichen gilt, obwohl die Ampel in seiner Fahrtrichtung rot zeigt.
• Bei mehreren Lichtzeichenanlagen für verschiedene Richtungen verwechselt der Fahrer eines Kfz das für ihn gültige Lichtzeichen.
• Die Verkehrsführung ist unklar, so dass der Fahrer eines Kfz sich hinsichtlich der für ihn geltenden Lichtzeichenanlage irrt.
In derartigen Fällen kann das Gericht feststellen, dass nur eine leichte statt grober Fahrlässigkeit vorliegt. Dies hat zur Folge, dass kein Regelfahrverbot verhängt werden muss. Das Gericht kann stattdessen eine höhere Geldbuße anordnen – in aller Regel eine Lösung, die für den Betroffenen weitaus angenehmer ist. Unter Umständen kann das Gericht aber auch eine geringere Geldbuße anordnen oder das Verfahren wegen Geringfügigkeit sogar einstellen.
Besondere Umstände in der Person des Betroffenen
Auch wenn beim Tathergang keine besonderen Umstände festgestellt werden, kann das Gericht auf ein Fahrverbot verzichten, wenn dies eine unzumutbare Belastung für den Betroffenen darstellen würde. Typische Beispiele für unzumutbare Belastungen durch eine vorübergehende Abgabe des Führerscheins:
• Drohender Verlust des Arbeitsplatzes
• Gefährdung der Existenz bei Selbstständigen, die ihre Tätigkeit nur mit Hilfe eines Fahrzeuges ausführen können (wie etwa Handelsvertreter, ambulante Pflegedienste, Handwerker, Taxifahrer, Kurierfahrer, etc.)
• Behinderung der betroffenen Person, die ohne Fahrerlaubnis nicht in der Lage wäre, berufliche oder medizinisch notwendige Termine wahrzunehmen
• Regelmäßige Fahrdienste für behinderte Personen. Dies gilt in der Regel für private Pflegepersonen, die Angehörige oder Schutzbefohlene mit Behinderung transportieren
Tateinheit und Tatmehrheit
Bei der juristischen Bewertung von Verkehrsverstößen kann die Unterscheidung von Tateinheit und Tatmehrheit eine bedeutende Rolle spielen.
Der Begriff Tateinheit wird verwendet, wenn zwar mehrere Verstöße vorliegen, diese aber in einem sehr engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhang begangen wurden. Ein Beispiel: Moderne Blitzeranlagen, die häufig hinter einer Kreuzung aufgestellt werden, können sowohl Rotlichtverstöße (Verstoß gegen §37 Abs.2 StVO) als auch Geschwindigkeitsüberschreitungen (Verstoß gegen §3 StVO) feststellen. Wenn nun der Fahrzeugführer mit überhöhter Geschwindigkeit eine rote Ampel überfährt, sind dies zwei Verstöße in Tateinheit.
Wenn beide Verstöße einen Bußgeldregelsatz von mehr als 55 € vorsehen, wird folgende Regel angewendet:
Die beiden Bußen werden nicht addiert. Stattdessen wird der höhere von beiden Regelsätzen zugrunde gelegt. Dieser Satz wird dann angemessen erhöht. Nur für den höheren Verstoß werden Punkte im Fahreignungsregister verzeichnet. Bei einem qualifizierten Rotlichtverstoß (die Ampel zeigte mehr als eine Sekunde lang rot) ohne Gefährdung sieht der Bußgeldkatalog eine Geldbuße von 200 Euro, 2 Punkte in Flensburg und 1 Monat Fahrverbot vor. Wenn dieser Verstoß gleichzeitig mit einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 24 km/h erfolgt, die ihrerseits 1 Monat Fahrverbot, 1 Punkt in Flensburg und 80 Euro Bußgeld nach sich zieht, so wird nur der schwerere von beiden Verstößen gewertet. Der Betroffene erhält 2 Punkte in Flensburg, 1 Monat Fahrverbot und eine angemessen erhöhte Geldbuße, aber nicht etwa 3 Punkte oder 2 Monate Fahrverbot.
Tatmehrheit liegt dagegen vor, wenn mehrere Verstöße gegen Verkehrsvorschriften ohne engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang erfolgen. Auch dazu ein Beispiel: In manchen Ortschaften ist ein Blitzer am Ortseingang aufgestellt, ein weiterer dann im Ort, beispielsweise in der Nähe von Schulen oder Kindergärten. In der Regel gehen Bußgeldstellen und Gerichte in einem derartigen Fall von Tatmehrheit aus. In diesem Fall ergeht zwar möglicherweise nur ein Bußgeldbescheid, allerdings werden die einzelnen Tatbestände jeweils einzeln aufgelistet und gesondert mit Punkten und Bußgeldern geahndet (dies gilt analog auch für Verwarnungsgelder).
Rechtsprechung
Trotz der bundesweiten Gültigkeit des Bußgeldkataloges bestehen im Verkehrsrecht Unterschiede in der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die durch die Oberlandesgerichte der Bundesländer erfolgt. Erfahrene Anwälte sprechen von einem Nord-Süd-Gefälle, wobei in Bayern die strengste Auslegung der BKatV bei Ordnungswidrigkeiten angelegt wird. Hier ist es auch am schwierigsten, ein drohendes Verbot zur Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr zu vermeiden und in ein höheres Bußgeld umzuwandeln. Das früher oft gebrauchte Argument der „drohenden Existenzvernichtung“ wird heute kaum noch anerkannt (vgl. Urteil des OLG Hamm). Stattdessen liegt der Schwerpunkt der Einsprüche und Rechtsbeschwerden heute auf Fehlern bei den Messeinrichtungen und bei der Durchführung der Messung sowie auf der Qualität der Fotos.
Es kann auch durchaus vorkommen, dass ein Messgerät oder Messverfahren in einem Bundesland regelmäßig zu erfolgreichen Einsprüchen führt, während die Gerichte (insbesondere die Landes- und Oberlandesgerichte) in anderen Bundesländern an diesen Messungen nichts auszusetzen haben.
Des Weiteren gibt es große Unterschiede bei der Behandlung von Einsprüchen und Rechtsbeschwerden, die die zweifelsfreie Identifizierung des Fahrers in Frage stellen. Die Forderung nach Gutachten wird häufig abgelehnt, da sie als unverhältnismäßig beurteilt wird. Bei manchen Gerichten führen Zweifel an der Identität des Fahrers dagegen häufiger zu Einstellungen der Verfahren.
Trotz der bundeseinheitlichen Gültigkeit des Bußgeldkataloges kann daher (noch) nicht von einer einheitlichen Auslegung und höchstrichterlichen Rechtsprechung ausgegangen werden. Das erschwert die Beurteilung der Erfolgsaussichten eines Einspruchs für den Betroffenen.
Punktesystem und Fahreignungsregister
Vormerkung, Ermahnung, Verwarnung und Führerscheinentzug
Das Fahreignungsregister des Kraftfahrt-Bundesamtes wirkt wie ein Konto. Bei Überschreiten der Höchstgrenze von 8 Punkten erfolgt der Entzug des Führerscheins.
• Bei 1 bis 3 Punkten erfolgt eine Vormerkung
• Bei 4 bis 5 Punkten spricht das Amt eine Ermahnung aus und informiert betroffene Fahrer in der Regel über Möglichkeiten, durch geeignete Schulungsmaßnahmen einen Punkt abzubauen
• Bei 6 bis 7 Punkten wird eine Verwarnung ausgesprochen mit der Empfehlung, ein Seminar zur Fahreignung zu besuchen
• Bei 8 Punkten wird der Führerschein entzogen
Punktekatalog für das Fahreignungsregister
Verjährung der Punkte
Bis 2014 galt eine andere Punktestaffelung, die aber durch die oben beschriebene Regelung ersetzt wurde. Auch die Verjährung hat sich mit der Reform des Punktesystems geändert. Bis 2014 galt, dass ein neuer Verstoß die Verjährung aller Punkte unterbrach. Heute gelten folgende Verfallsfristen für Punkte auf dem Flensburger Konto:
• Vormerkungen mit 1 Punkt (aufgrund schwerer Ordnungswidrigkeiten) verfallen nach 2,5 Jahren bzw. 30 Monaten
• Sehr schwere Verstöße mit 2 Punkten verfallen nach 5 Jahren bzw. 60 Monaten
• Straftaten im Straßenverkehr mit 3 Punkten verfallen nach 10 Jahren bzw. 120 Monaten
Mehr als 8 Millionen Kfz-Fahrer haben mindestens einen Punkt im zentralen Fahrregister. Der Entzug des Führerscheins aufgrund der Ansammlung von 8 Punkten ist aber sehr selten.
Abbau von Punkten
Durch die freiwillige Teilnahme an einem Fahreignungsseminar kann 1 Punkt in der Flensburger Punktekartei abgebaut werden – allerdings nur, solange der Punktestand weniger als 6 Punkte beträgt. Außerdem darf der Betroffene, sofern er schon 5 Punkte auf dem Konto hat, keine weitere Tat begangen haben, die zu einem weiteren Punkteeintrag führen würde. Der Punkteabbau darf in diesem Fall verweigert werden.
Ziel des Fahreignungsseminars ist eine nachhaltige Veränderung des Verhaltens im Straßenverkehr. Es besteht aus mehreren Modulen, die alle absolviert werden müssen:
• Zwei verkehrspädagogische Einheiten (jeweils 90 Minuten)
Diese Einheiten finden in Kleingruppen statt und werden durch einen Fahrlehrer geleitet.
• Zwei verkehrspsychologische Einheiten (jeweils 75 Minuten)
Diese Einheiten sind in der Regel als Einzelsitzungen mit einem Psychologen konzipiert.
Der Betroffene soll Einsicht in die Ursachen und Hintergründe seiner Verkehrsverstöße gewinnen und dadurch die Kontrolle über sein zukünftiges Verhalten erlangen.
Ein Fahreignungsseminar kostet je nach Anbieter von 400 Euro bis mehr als 700 Euro. Ein Punkteabbau durch ein Seminar ist nur ein Mal innerhalb von 5 Jahren möglich.
Fahrverbot
Das Straßenverkehrsgesetz (StVG) legt in §25 als Grundsatz fest, in welchen Fällen in der Regel ein Fahrverbot anzuordnen ist. Der Grundsatz lautet, dass grobe oder beharrliche Verstoßhandlungen nicht nur mit Geldbußen, sondern auch mit Fahrverboten von 1 Monat bis 3 Monaten geahndet werden. Die Einstufung als grobe Verstoßhandlung hat sich mit der StVO-Novelle ab 28.04.2020 deutlich nach unten geändert.
Sowohl das Gericht als auch die Bußgeldbehörde kann ein Fahrverbot verhängen. Das Gericht ist gehalten, im Einzelfall zu prüfen, ob der Verstoß mit einem erhöhten Bußgeld geahndet werden kann, oder ob zwingend der Führerschein abgegeben werden muss.
Im Bußgeldkatalog werden die konkreten Tatbestände genannt, die regelmäßig als grobe oder beharrliche Verkehrsverstöße betrachtet werden. Wenn eine Ordnungswidrigkeit in Zukunft schwerwiegender eingeordnet und als grober oder beharrlicher Verstoß klassifiziert werden soll, muss nicht das Gesetz, sondern nur der Bußgeldkatalog geändert werden.
Grobe Verkehrsverstöße (Beispiele):
• Geschwindigkeitsüberschreitung mit dem Auto, außerorts um mehr als 25 km/h
• Geschwindigkeitsüberschreitung mit dem Auto, innerorts um mehr als 20 km/h
• Überfahren einer roten Ampel, die schon mehr als 1 Sekunde rot zeigte (qualifizierter Rotlichtverstoß)
• Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug weniger als 3/10 des halben Tachowertes bei einer Geschwindigkeit von mehr als 100 km/h
• Fahren unter Alkoholeinfluss ab 0,5 Promille Alkoholgehalt im Blut bzw. 0,25 mg/l Atemalkoholkonzentration
• Fahren unter Einfluss illegaler Drogen
Die genannten groben Verstöße werden laut Punktekatalog mit 1 – 2 Punkten in der Flensburger Kartei geahndet. Die Verjährungsfrist für einen Verstoß mit 1 Punkt beträgt 2,5 Jahre, für Verstöße mit 2 Punkten sogar 5 Jahre. Falls nicht besondere Umstände vorliegen, wird ein Fahrverbot ausgesprochen. Selbst wenn das Gericht nach Abwägung des Tathergangs ausnahmsweise von einem Fahrverbot absieht, werden die Punkte dennoch registriert.
Beharrlichkeit
Neben den groben Verkehrsverstößen sieht der Bußgeldkatalog auch ein Regelfahrverbot vor, wenn zweimal innerhalb eines Jahres eine Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 25 km/h begangen wird. Es handelt sich bei der Ahndung des ersten Verstoßes sozusagen um ein Fahrverbot auf Bewährung.
Wenn ab diesem Tag innerhalb von 12 Monaten eine weitere Geschwindigkeitsüberschreitung mit mindestens 26 km/h erfolgt, wird von einer beharrlichen Verletzung der Pflichten als Fahrzeugführer ausgegangen, und im Regelfall wird ein Fahrverbot von einem Monat ausgesprochen. Außerdem wird das Bußgeld für das zweite Vergehen angemessen erhöht.
Wenn das Vergehen als Regelfall klassifiziert wird, kann das Gericht das sich ergebende Fahrverbot verhängen und muss dabei nicht detailliert begründen, warum nicht auch eine höhere Geldbuße ausreichen würde. Es muss aber stets prüfen, ob bei den vorliegenden Umständen des Vergehens ein Regelfall gemäß den Bestimmungen des Bußgeldkataloges zugrunde gelegt werden kann.
Wenn ein Fahrverbot verhängt wird: Wann muss der Führerschein abgegeben werden?
Eine der häufigsten Fragen im Zusammenhang mit Fahrverboten betrifft den Zeitpunkt, zu dem der Führerschein abgegeben werden muss. Dies ist in der Regel im Bußgeldbescheid explizit festgelegt. Dabei gilt die Regelung, dass der Betroffene ab dem Zeitpunkt, zu dem der Bußgeldbescheid rechtskräftig wird, 4 Monate Zeit hat, um die Strafe anzutreten – aber nur, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind:
• In den zwei Jahren vor Begehen des Verkehrsverstoßes wurde kein Fahrverbot rechtskräftig
UND
• in dem Zeitraum zwischen dem Begehen des Verkehrsverstoßes und der Bußgeldentscheidung wurde kein Fahrverbot aus einem anderen Rechtsverstoß rechtskräftig.
Ist eine dieser beiden Bedingungen nicht erfüllt, so wird dem Betroffenen keine Frist gewährt. Das Verbot beginnt, sobald der Bußgeldbescheid Rechtskraft erlangt. In diesem Fall ist die einzige Möglichkeit, den Beginn hinauszuzögern, das Einlegen von Rechtsmitteln.
Wurde dem Betroffenen die 4-Monats-Frist eingeräumt, kann er innerhalb dieser Frist frei entscheiden, wann er die Strafe antreten will. Wenn er innerhalb dieser 4 Monate nicht freiwillig den Führerschein abgibt, muss er spätestens am letzten Tag der Frist das Fahrverbot antreten. Gemäß § 25 Absatz 5 StVG beginnt der Monat jedoch immer erst abzulaufen, sobald der Führerschein amtlich verwahrt ist. Dazu muss der Führerschein bei der zuständigen Stelle abgegeben oder per Einschreiben dorthin geschickt werden.
Die zuständige Stelle ist
• die Bußgeldstelle bei einem Verbot, das durch die Bußgeldstelle ausgesprochen wurde
• die Staatsanwaltschaft, wenn das Verbot durch ein Gericht angeordnet wurde.
Wenn der Betroffene auch einen internationalen Führerschein besitzt, muss dieser ebenfalls abgegeben werden. Dies gilt auch für EU-Führerscheine, sofern die Person ihren Wohnsitz in Deutschland hat. Bei anderen Führerscheinen aus dem Ausland wird ein Vermerk im Führerschein gemacht. Alternativ kann der Betroffene seinen Führerschein auch freiwillig abgeben. Er darf dann während des Fahrverbots kein Fahrzeug in Deutschland führen. Ob der Führerscheinbesitzer während der Fahrverbotsfrist im Ausland, speziell in seinem Heimatland fahren darf, wird je nach Land unterschiedlich gehandhabt.
Nach Ablauf des Verbotes wird der Führerschein von der zuständigen Stelle ohne besonderen Antrag zurückgegeben – anders als beim Entzug der Fahrerlaubnis.
Bußgeldkataloge in Europa
Der bundesdeutsche Bußgeldkatalog beinhaltet die detailliertesten Vorschriften in ganz Europa. In manchen Nachbarländern sind nur einige Vergehen präzise geregelt. In Österreich beispielsweise existiert kein landesweit geltender Bußgeldkatalog, die Verwaltungen der Länder legen dort eigene Vorschriften fest. Auch die Ansprüche an die Beweislage werden im Verkehrsrecht sehr unterschiedlich gehandhabt. So darf die Polizei in Österreich (allerdings nur in sehr genau begründeten und festgeschriebenen Fällen) die Geschwindigkeit eines Fahrzeugs sogar schätzen.
Es gibt derzeit noch keine uns bekannten Bestrebungen, einen europaweit gültigen Bußgeldkatalog zu erstellen, obwohl dies im Sinne der Transparenz und Sicherheit durchaus wünschenswert sein mag. Glücklicherweise nähern sich die Vorschriften in vielen Bereichen europaweit an.
Es gibt aber so viele unterschiedliche landespezifische Vorschriften, dass das Zustandekommen einer europaweit gültigen Verordnung unwahrscheinlich ist. Unter anderem müsste Deutschland eine Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen einführen. Aufgrund der Bedeutung der Autoindustrie für Deutschland wäre ein solcher Schritt mit bedeutenden wirtschaftlichen Risiken verbunden, die bislang durch die Politik als zu unwägbar beurteilt worden sind.
Dennoch ist eine weitgehende Angleichung der Verkehrsvorschriften und der Verfahren zu ihrer Durchsetzung wünschenswert. Je sicherer die Verkehrsteilnehmer sich über die geltenden Vorschriften, aber auch über die drohenden Strafen sind, desto eher darf man auf deren Einhaltung hoffen. Bußgelder werden mittlerweile in Europa auch über die Landesgrenzen hinweg fällig, sofern der Bußgeldbetrag zuzüglich Verwaltungsgebühr 70 Euro übersteigt. In diesen Fällen leistet die Justiz des Nachbarlandes Vollstreckungshilfe. Es ist also nicht mehr möglich, Strafzettel aus europäischen Ländern einfach zu ignorieren. Bei Verkehrsverstößen, die die Sicherheit im Straßenverkehr beinträchtigen, z.B. bei Geschwindigkeits-, Rotlicht- und Alkoholverstößen, können die Behörden mittlerweile auf die gemeinsame europäische Datenbank „Eucaris“ zugreifen, um die Daten des Fahrzeughalters schnell und unkompliziert zu ermitteln.
Die Details erfahren Sie auf der Eucaris-Webseite oder beim Kraftfahrt-Bundesamt auf den Seiten zu Eucaris. Dies stellt einen wesentlichen Schritt hin zur länderübergreifender Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten dar. Allerdings bezieht sich die Rechts- und Vollstreckungshilfe nur auf die Bußgelder. Fahrverbote gelten nach wie vor nur im Land des Verstoßes. Wer aufgrund einer bedeutenden Ordnungswidrigkeit in einem europäischen Land vorübergehend keine Fahrerlaubnis hat, darf in den anderen Ländern weiterhin fahren. Viele Länder konfiszieren den Führerschein, wenn ein schwerer Verkehrsverstoß festgestellt wird. Der Betroffene darf dann nicht mehr weiterfahren. In der Regel muss er einen Antrag stellen, dass der Führerschein an die zuständige Behörde in Deutschland (diese ist wiederum je nach Bundesland verschieden) gesendet wird. Dabei wird in der Regel der Grund für das Einbehalten des Führerscheins übermittelt. Die deutschen Behörden nehmen dies zwar zur Kenntnis, es entstehen aber keine weiteren Konsequenzen für den Fahrer. Eine Ausnahme stellen Alkohol- und Drogenverstöße dar. In diesen Fällen kann die Behörde prüfen, ob eine MPU (Medizinisch-Psychologische Untersuchung, umgangssprachlich manchmal als „Idiotentest“ bezeichnet. Vgl. MPU auf Wikipedia) angeordnet werden soll, um die Eignung des Fahrers zum Führen eines Fahrzeugs feststellen zu lassen.Bei einem Verstoß im Ausland haben in Deutschland ansässige Fahrer auch keine Einträge im deutschen Fahreignungsregister in Flensburg zu befürchten. Derartige Verzeichnisse sind stets national. Nicht alle europäischen Länder haben Punktekataloge für Verkehrssünder. Zudem sind die Systeme sehr unterschiedlich. Es gibt Systeme wie in Deutschland, die den Entzug der Fahrerlaubnis bei Erreichen einer bestimmten Punktegrenze vorsehen. In anderen Ländern hat der Fahrer ein Punkteguthaben, von dem bei Verkehrsverstößen jeweils Punkte abgezogen werden. Wenn der Fahrer keine Punkte mehr hat, muss er die Fahrerlaubnis abgeben. In Österreich wird für bestimmte Verstöße eine Vormerkung gemacht. Erfolgt ein weiterer Verstoß binnen eines festgelegten Zeitraums (meist zwei Jahre), so wird die Fahrerlaubnis eingezogen.
In den Bereichen, die die Fahrerlaubnis betreffen (Punkte, Vormerkungen, Fahrverbote), nehmen die Verkehrsteilnehmer die größten Ungerechtigkeiten wahr. Während der eine Fahrer für ein Vergehen seine Fahrerlaubnis verliert, kann der andere Fahrer in seinem Heimatland und allen anderen europäischen Ländern weiterfahren – für das gleiche Vergehen. Er darf lediglich in Deutschland für die Dauer nicht hinter das Steuer. Das kann im Einzelfall sehr belastend für den Betroffenen sein, während die Strafe in anderen Fällen für ihn kaum ins Gewicht fällt.