Fehlerhafte Technik führt zu mangelhaftem Bescheid
Die Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit ist auf deutschen Straßen alltäglich – trotz teilweise hoher Bußgelder und Punkten in Flensburg. Dabei ist es nicht immer der klassische Starenkasten, der den Raser erfasst.
Wenn es um die Erfassung von Geschwindigkeitsüberschreitungen auf deutschen Straßen geht, kommen unterschiedliche Messverfahren und Messgeräte zum Einsatz. Sie alle haben das gleiche Ziel: Die Geschwindigkeit der Fahrzeuge messen und festhalten, um welches bzw. wessen Fahrzeug es sich handelt. Dabei kommen unterschiedliche Technologien zum Einsatz. Nicht alle sind in gleichem Maße zuverlässig, wobei Fehler dazu führen können, dass die gesamte Messung als ungültig zu betrachten ist.
Informationen über Verfahren und Geräte werden für Autofahrer vor allem dann wichtig, wenn gegen sie ein Bußgeldverfahren eingeleitet werden soll. Doch was ist zu tun wenn man begründete Zweifel an der Richtigkeit des Tatvorwurfes hat? Was tun, wenn man gar nicht zu schnell gefahren ist, aber der Blitzer dennoch das eigene Fahrzeug erfasst hat?
Radarfallen oder Messgeräte die unter anderem mit Lasertechnik arbeiten, können fehlerhafte Ergebnisse liefern. In einem solchen Fall ist auch ein darauf basierender Bußgeldbescheid mangelhaft und kann angefochten werden.
Verfahren zur Geschwindigkeitsmessung im Straßenverkehr
Bevor die moderne Technik Einzug in die Verkehrsüberwachung hielt, wurde das Tempo mit der Stoppuhr gemessen. Das ist zwar auch heute noch erlaubt, wird aber wegen der hohen Anfälligkeit für Messfehler kaum noch durchgeführt. Heute werden sehr viel modernere Methoden angewandt, die aber auch ihre Tücken haben können.
Eine Messung der Fahrgeschwindigkeit ist mittels verschiedener Methoden möglich. Zu diesen gehören: Radar, Laser, Lichtschranken, Helligkeitssensoren, Induktionsschleifen, Police-Pilot und Section Control.
Geschwindigkeitsmessung mittels RadarSection Control – Ein umstrittenes Verfahren
Mit am weitesten verbreitet ist die Geschwindigkeitsmessung mit Hilfe von Radaranlagen, die fest am Straßenrand installiert sind. Sie werde gerne auch als „Radarfallen“ bezeichnet.
Bei der Radarmessung handelt es sich um eine ältere Methode, die auf dem sogenannten „Doppler-Effekt“ beruht. Das Radargerät sendet elektromagnetische Wellen aus, die von den vorbeifahrenden Fahrzeugen reflektiert werden. Die reflektierten Radarwellen werden vom Messgerät wiederum empfangen. Nun kommt der Doppler-Effekt ins Spiel: Die Frequenz mit der die Wellen reflektiert werden ist abhängig von der Geschwindigkeit des Fahrzeuges. So kann das Messgerät mithilfe einer Recheneinheit die Geschwindigkeit des Fahrzeuges berechnen. Liegt die berechnete Geschwindigkeit oberhalb der Höchstgeschwindigkeit plus Toleranz, dann löst die Radarfalle aus. Eine integrierte Kameraanlage lichtet Fahrzeug sowie Fahrer ab und dokumentiert so, um wessen Fahrzeug es sich handelt und wer damit gefahren ist.
Messfehler bei Radarmessgeräten
Im Vergleich zu anderen Messgeräten kann es bei Radaranlagen häufiger zu Fehlern bei der Messung kommen. Ein Fehler kann sogar schon beim Aufstellen des Gerätes passieren, denn hierbei muss darauf geachtet werden, dass die Anlage im Verhältnis zur Straße in einem bestimmte Winkel ausgerichtet ist.
Dieser Umstand kann zum Problem werden, wenn ein Fahrzeug auf der Straße die Spur wechselt und dabei die Fahrrichtung verändert. Auch problematisch ist wenn es zu einer sogenannten Knickstrahlreflexion kommt. In einem solchen Fall wird der Radarstrahl von einer Fläche, zum Beispiel einer Leitplanke oder einem Verkehrsschild abgelenkt und es kann es zu einer fehlerhaften Messung kommen.
Folgende Geräte sind Beispiele für Radarmessanlagen:
- Traffipax Speedophot
- Multanova 6F
- M5 Radar
- Traffipax Micro-Speed 09
Geschwindigkeitsmessung mittels Laser – mobil und stationär
Neben Radarstrahlung stellt die Lasertechnik eine weitere Methode zur Geschwindigkeitsmessung zur Verfügung. Die Messung der Fahrgeschwindigkeit mit Hilfe von Lasern ist eine neuere Methode als die mittels Radar, ist aber deswegen nicht weniger fehleranfällig. Sie wird neben der stationären auch zur mobilen Geschwindigkeitsmessung eingesetzt.
Einige Beispiele für Messgeräte mit Laser:
- RIEGL LR90-235P
- RIEGL FG21-P
- Laser Patrol
- TraffiPatrol
- LEIVTEC XV2
- LEIVTEC XV3
- LTI 20.20 TS/KM
- LAVEG
Wie funktioniert die Messung mit dem Laser?
Die Messung mit einem Laser funktioniert folgendermaßen. Wird die mobile Variante, also die Laserpistole, eingesetzt, dann wird das Nummernschild eines Fahrzeuges mit dem Laser anvisiert. Die Pistole strahlt Laserimpulse aus, die reflektiert und von der Laserpistole registriert werden. Ergibt die Ermittlung der Fahrgeschwindigkeit eine Überschreitung, wird der Verkehrsteilnehmer direkt angehalten und zur Rede gestellt. In der Regel wird kein Foto vom betroffenen Fahrzeug gemacht. Es gibt aber auch Lasermessgeräte, die in typischer Blitzermanier ein Lichtbild von den Verkehrssündern samt Fahrzeugen machen.
Neue Lasertechnik: Lidar
Recht neu ist das sogenannte Lidar-System. Die Abkürzung steht für “Light Detection and Ranging“. Auch diese Technik wird für mobile und stationäre Geschwindigkeitskontrollen genutzt. Bei diesen Geräten kommt die Technik zum Einsatz:
- PoliScan Speed
- Enforcement Trailer
Messfehler bei der Messung mit Laserpistolen
Geschwindigkeitsmessungen mit Lasertechnik werden häufig in der mobilen Variante mit einer Laserpistole durchgeführt. Für die Bedienung einer solchen Laserpistole müssen Polizisten speziell geschult werden. Durch reine Anwendungsfehler können verfälschte Geschwindigkeiten gemessen werden. Das Gerät darf während der Messung nicht bewegt werden. Außerdem muss das Gerät richtig eingestellt werden und der Beamte für den Umgang mit dem Gerät nachweislich geschult gewesen sein. Ist dies nicht der Fall, kann das regelmäßig zur Ungültigkeit eines zugehörigen Bußgeldbescheides führen. Gegen einen solchen Bescheid kann dann Einspruch erhoben werden.
Eine weitere Gefahr besteht darin, dass der Laserstrahl nicht das eigene Auto erfasst, sondern das auf der Nebenspur. In einem solchen Fall will man als Betroffener natürlich nicht auf dem Bußgeld sitzen bleiben.
Geschwindigkeitsmessung mit Lichtschranke
Bei Geschwindigkeitskontrollen denken die meisten wohl zuerst an Blitzer oder Radarfallen. Es sind aber auch noch andere Verfahren im Einsatz. Zu den weiteren Verfahren zählt zum Beispiel die Lichtschrankenmessung, die zur mobilen Geschwindigkeitsmessung eingesetzt werden kann. Dabei werden Sender- und Empfängerpaare entlang des Straßenrands im rechten Winkel zum Straßenverlauf aufgestellt. Bei jedem Gerätepaar richtet der Sender mehrere Lichtstrahlen auf den gegenüberliegenden Empfänger.Bei der Durchfahrt eines Fahrzeuges werden die Lichtstrahlen unterbrochen und so der Zeitpunkt der Durchfahrt eines Fahrzeuges registriert. Durch das aufstellen mehrerer Geräte entlang eines Streckenabschnitts kann die durchschnittliche Geschwindigkeit ermittelt werden.
Bei manchen Modellen ist kein Empfangsgerät auf der gegenüberliegenden Straßenseite notwendig.
Beispiele für Lichtschrankenmessgeräte:
- Eso μP 80
- Eso ES 1.0
- LS 4.0
Tempomessung mit Helligkeitssensoren
Die Messung mit Helligkeitssensoren ist der Messung mit normalen Lichtschrankenanlagen sehr ähnlich. Im Unterschied zu diesen ist aber bei den Helligkeitssensoren kein Sender notwendig. Stattdessen wird die Veränderung der Helligkeit durch vorbeifahrende Fahrzeuge mit dem Umgebungslicht ermittelt und wie bei einer Lichtschranke die Geschwindigkeit berechnet. Auch bei diesem Gerät wird ein Blitz ausgelöst und ein Foto des Autofahrers erstellt.
Die moderne Variante dieses Gerätes ist der digitale Einseitensensor ES 3.0, der auch Optospeed genannt wird. Dieses Gerät ist vielseitig einsetzbar und auch für schwierige Verhältnisse geeignet.
Geschwindigkeitsmessung mittels Induktionsschleifen & Piezokristallen
Um Temposünder zu überführen gibt es noch weitere Möglichkeiten. Auch mit Hilfe von sogenannten Induktionsschleifen können Überschreitungen des Tempolimits ermittelt werden. Um dieses Verfahren anzuwenden werden Induktionsschleifen im Fahrbahnbelag angebracht, durch die ein elektrisches Signal fließt und ein elektromagnetisches Feld aufbaut. Ein durch das Feld fahrendes Fahrzeug beeinflusst das Feld derart, dass über die Spule registriert werden kann, wann ein Fahrzeug die Induktionsschleife überfahren hat. Zur Geschwindigkeitskontrolle werden wie bei der Lichtschrankenmessung mehrere Schleifen entlang der Fahrbahn verlegt, sodass die Geschwindigkeit über die Distanz der Messpunkte und die Zeitpunkte der jeweiligen Messung errechnet werden können.
Ähnlich wird bei Messungen mit Piezotechnik vorgegangen. Anders als bei der Induktionsmessung wird hier allerdings mit Druckempfindlichen Piezokristallen gearbeitet. Piezokristalle kennt man zum Beispiel als Spannungsquelle für „den blauen Funken“ in Gasthermen, Gasherden oder auch aus Feuerzeugen. Unter Druck geben Piezokristalle eine messbare (im Fall von Piezo-Zündern auch sichtbare) Spannung ab. Entsprechend geben Piezo-Sensoren in oder auf der Fahrbahn durch den Druck eines darüber fahrenden Fahrzeuges eine höhere Spannung ab. Die Veränderung der Spannung ermöglicht das elektronische Registrieren einer Überschreitung des Sensors.
Beispiel für Geräte, die mit Induktionsschleifen oder Piezosensoren arbeiten:
- Traffipax Traffistar S 540
- Traffiphot S
- Truvelo M42
- VDS M 5 Speed
- Traffistar S 330
Police-Pilot: Tempomessung durch Nachfahren
Eine etwas andere Methode zur Geschwindigkeitsmessung sind Videonachfahrsysteme. Wie der Name schon sagt geht es darum, dass Polizeibeamte selbst hinter den Fahrzeugen herfahren und dabei ihre Geschwindigkeit ermitteln. Die Messung erfolgt über das Tachometer des Polizeifahrzeugs. Außerdem wird eine Videoaufnahme gemacht, die als Beweismittel für den Verstoß gilt.
Übrigens: Aus datenschutzrechtlichen Gründen wird keine permanente Videoaufzeichnung durchgeführt!
Geräte mit dem Police-Pilot-System:
- ProVida 2000
Verkehrsüberwachung mit Section Control
Eine besondere Maßnahme ist die Kontrolle der Geschwindigkeit mit Section Control. Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine eigene Technik. Übersetzt bedeutet die Bezeichnung „Section Control“ nämlich Abschnittskontrolle.
Die Geschwindigkeit der Fahrzeuge wird demnach nicht an einem einzelnen Punkt sondern über einen gewisssen Streckenabschnitt gemessen. So wird ermittelt ob die Höchstgeschwindigkeit für den gesamten Abschnitt eingehalten wurde. Dafür werden die Kennzeichen aller Fahrzeuge erfasst.
Es stellt sich dabei die Frage, ob die Abschnittskontrolle fairer ist als eine punktuelle Messung durch klassische Blitzer. Ein einmaliger Ausrutscher auf Höhe eines klassischen Blitzers lässt sich im Nachhinein nicht mehr ausgleichen. Bei einer Abschnittskontrolle hingegen kann z.B. auch zum Überholen die zulässige Höchstgeschwindigkeit kurzweilig überschritten werden und diese Überschreitung im Anschluss durch langsameres Fahren wieder wett gemacht werden.
Section Control – Ein umstrittenes Verfahren
In Deutschland ist die Geschwindigkeitsmessung mit Section Control bisher kein Standard. Dafür aber in einigen Nachbarländern. Darunter sind Österreich, die Schweiz, Italien, Polen und die Niederlande.
Das Verfahren ist hierzulande noch umstritten. In einem Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover im März 2019 wurde entschieden, dass es keine rechtliche Grundlage für den Betrieb einer solchen Anlage gibt. Als Begründung gab das Gericht an, dass die kurzfristige Aufzeichnung des Kennzeichens in dem betreffenden Abschnitt nicht zulässig ist.
Blitzer – mehr als nur Geschwindigkeitsmessung
Die genannten Anlagen werden allesamt zur Überwachung des Tempolimits verwandt. Jedoch gibt es auch andere Einsatzmöglichkeiten für Blitzer. Auch Verkehrssünder, die andere Ordnungswidrigkeiten begehen, können mithilfe von technischen Geräten überführt werden. Damit sind vor allem Abstandsblitzer und Ampelblitzer gemeint.
Abstandsblitzer werden genutzt, um zu kontrollieren, ob die Verkehrsteilnehmer den vorgeschriebenen Sicherheitsabstand zu vorausfahrenden Fahrzeugen einhalten. Geräte die hierfür verwendet werden sind:
- CG-P50E
- VSTP
- VKS 3.0 und 3.01
Die umgangssprachlich als Ampelblitzer bezeichneten Geräte werden benutzt, um Rotlichtverstoße zu ahnden. Folgende Geräte werden für diesen Zweck eingesetzt:
- Multanova Multastar C
Verboten! – Laser-Störer, Laser-Jammer, Radarwarner
Wer glaubt er könnte der Geschwindigkeitskrolle durch sogenannte Laser-Störer oder Laser-Jammer entkommen, der geht ein gewisses Risiko ein. Denn es sollte eigentlich jedem klar sein: die Verwendung sogenannter Laser-Störer oder auch Laser-Jammer ist verboten.
Kaufen und besitzen darf ein solches Gerät jeder – die Benutzung hingegen ist illegal und wird bestraft. Wer trotz Verbot das Risiko eingeht und erwischt wird, dem droht neben einem Bußgeld von 75 Euro und einem Punkt in Flensburg außerdem auch die Beschlagnahme des teuren Gerätes. Das gleich gilt auch für Radarwarner.
Sie haben einen Bußgeldbescheid erhalten und Sie haben das Gefühl, dass damit etwas nicht stimmt? Dann sollten Sie in Erwägung ziehen die Messung durch einen Anwalt für Verkehrsrecht überprüfen zu lassen. Dabei werden die genauen Umstände geklärt und das verwendete Messverfahren und die zugehörigen Fehlerquellen detailliert geprüft.
Geschwindigkeitsmessung und Toleranz
Egal welches Messverfahren genutzt wird, hundertprozentige Sicherheit auf Fehlerfreiheit bei der Messung gibt es nicht. Um potenzielle Fehler vorab zu kompensieren werden von den gemessenen Geschwindigkeiten bestimmte Toleranzwerte abgezogen.
Der Toleranzabzug wird für die meisten Messgeräte pauschal vorgenommen, also unabhängig davon, welches Gerät zur Messung verwendet wurde. Es macht außerdem keinen Unterschied, ob die Überschreitung innerhalb oder außerhalb einer Ortschaft oder auf der Autobahn gemessen wurde. Für den Toleranzabzug gelten stets dieselben Regeln. Der abgezogene Wert ist nur abhängig von der gemessenen Geschwindigkeit und in einigen Ausnahmen.
Wurde eine Geschwindigkeit von bis zu 100 km/h gemessen, dann werden pauschal 3 km/h abgezogen. Ein Beispiel: Fährt man in einer 30er-Zone mit 53 km/h, dann liegt die Überschreitung nach Abzug der Toleranz bei 20 km/h statt bei 23 km/h ohne Abzug der Toleranz.
Ab einer Geschwindigkeit von 100 km/h liegt der Toleranzwert bei 3 Prozent der gemessenen Geschwindigkeit. Gilt zum Beispiel ein Tempolimit von 120 km/h und man wird mit 150 km/h geblitzt, dann werden 150 km/h * 0,03 = 4,5 km/h als Toleranzabzug veranlagt. Der Abzug wird dann auf 5 km/h aufgerundet. Die Überschreitung beträgt also 25 km/h statt 30 km/h ohne Toleranzabzug.
Ausnahmen: Für die Messung mit dem Police-Pilot-System wird statt 3 ein Toleranzwert von 5 km/h bzw. 5 Prozent bei Geschwindigkeiten über 100 km/h abgezogen. Auch für Messungen beim Hinterherfahren mit einem Dienstfahrzeug gelten andere Werte. Diese liegen bei 15 bis 20 Prozent.
Bildquellen:
ESO Einseitensensor ES3.0, Urheber: Jepessen, Lizenz, Änderungen vorgenommen.
Semi-fixed Speed Trap, Urbeber: Kecko, Lizenz, Änderungen vorgenommen.