Wann lohnt sich ein Einspruch?
Zahlreiche Bußgeldbescheide enthalten Fehler. Aber nicht bei jedem Fehler lohnt sich ein Einspruch. Eine erste Einschätzung, ob sich ein Einspruch lohnen könnte, gibt Ihnen unser kostenloser Bußgeldrechner.
Offensichtliche Schreibfehler in Namen oder Adresse des Beschuldigten oder in Angaben zum Ort des Vergehens bieten keinerlei Aussicht auf erfolgreiche Widersprüche. Die Behörde darf in solchen Fällen ihren Fehler korrigieren, ohne dass dies Einfluss auf das Verfahren hätte. Es gilt jedoch, dass alle Angaben im Bescheid für den Beschuldigten klar erkennbar und nachvollziehbar sein müssen. Führt ein Schreibfehler zu einer unmöglichen Angabe zur gefahrenen Geschwindigkeit, so kann der Bescheid durchaus angefochten werden. Auch wenn der Zeitpunkt des Vergehens nicht stimmen kann, kann dies ein Grund für einen Einspruch sein. In der Regel erhält die Behörde aber die Gelegenheit, derartige Fehler nachzubessern und einen korrigierten oder einen neuen Bußgeldbescheid auszustellen. Sofern der Bescheid innerhalb der „Verjährungsfrist“ zugestellt wird, ist er dennoch gültig.
Häufig enthalten der Anhörungsbogen oder der Bußgeldbescheid bereits eines der Photos, die als Beweismaterial angefertigt worden sind. Wenn Sie auf diesem Photo nicht zu erkennen sind, kann sich ein Einspruch aufgrund der Qualität des Photos lohnen. Es ist jedoch zu beachten, dass der Behörde weitere Beweisbilder vorliegen können, die nur im Rahmen einer Akteneinsicht oder im späteren Verfahren offenbart werden, so dass für den Betroffenen ohne anwaltliche Hilfe beträchtliche Unsicherheit verbleibt.
Auch muss der Betroffene gut Acht geben, nicht im Frühstadium einen Verfahrensfehler zu begehen, der die Erfolgsaussichten eines Einspruchs gefährdet. Gibt ein Betroffener in seinem Anhörungsbogen zu, dass er zum fraglichen Zeitpunkt gefahren sei, nutzt es ihm später auch nichts mehr, dass ein Photo bei bestimmten Messverfahren (zum Beispiel bei bestimmten Abstandsmessungsverfahren) gar nicht als Beweismittel zugelassen ist. Die Behörde muss in diesem Fall nicht mehr nachweisen, wer am Steuer gewesen ist.
Es ist auch vorgekommen, dass Beschuldigte einen Verkehrsverstoß derart ungeschickt begründeten, dass anstelle der fahrlässigen Tat plötzlich eine vorsätzliche Handlung vorgeworfen wurde, was regelmäßig zu einer Verdoppelung des Bußgeldes führt.
Immer wieder kursieren Aussagen (auch im Internet), dass bestimmte von den Behörden eingesetzte Messverfahren und Messgeräte vor Gericht nicht anerkannt werden. Auch hier liegt die Tücke im Detail: Es kommt zwar tatsächlich vor, dass Gerichte ein Messverfahren in einem bestimmten Verfahren nicht anerkennen. Solche Entscheidungen sind aber stets sehr genau begründet. So kann das Messverfahren aufgrund örtlicher Besonderheiten, aufgrund mangelnder Kalibrierung des Messgeräts vor Ort, aufgrund einer Messung außerhalb der in der Betriebszulassung angegebenen Toleranzen, aufgrund abgelaufener Prüfplaketten usw. im jeweiligen Einzelfall für ungültig erklärt werden. Derartige Feinheiten können nur Verkehrsrechtsspezialisten einschätzen und prüfen. Aus diesem Grund sind Einsprüche von Betroffenen gegen Meßverfahren oder –personen ohne anwaltliche Hilfe nahezu aussichtslos.
Ein Einspruch kann sich aber unter Umständen auch lohnen, obwohl nicht der gesamte Vorwurf aus der Welt geräumt werden kann. Manchmal kann es für den Betroffenen eine große Hilfe sein, wenn das Strafmaß abgemildert wird. Drei Beispiele:
- Der Betroffene befindet sich noch in der Probezeit. Eine Wandlung des Vorwurfs von einem Verstoß der A-Kategorie zur B-Kategorie kann den Unterschied zwischen einem Bußgeld oder der Verlängerung der Probezeit ausmachen.
- Der Betroffene hat schon Punkte im Fahreignungsregister. In solchen Fällen droht einerseits ein strengeres Strafmaß aufgrund der Tatsache, dass es sich um einen „Wiederholungstäter“ handelt. Andererseits kann hier jeder Punkt weniger ein Fahrverbot vermeiden helfen.
- Der Betroffene ist auf die Fahrerlaubnis angewiesen. Welche Begründungen in solchen Fällen akzeptiert werden, ist von Gericht zu Gericht unterschiedlich.
Wie legt man Einspruch ein?
Im Internet kursieren zahlreiche Vorlagen als Muster für Einsprüche, die teilweise eine „Formulierung“ des Einspruchs durch Textbausteine ermöglichen. Die Entscheidung, ob und wie Einspruch eingelegt werden soll, muss jeder Betroffene selbst treffen. Dabei sind auch die Kosten zu bedenken. Wird ein Einspruch abgelehnt, muss der Betroffene das Bußgeld und die zusätzlichen Ausgaben der Behörde zahlen. Kommt es zum Gerichtsverfahren, so fallen auch die Verfahrenskosten und eventuell Gutachterkosten an, wenn das Verfahren verloren geht.
Die Erfolgsaussichten sind mit Einschalten eines Anwalts ungleich höher – schon allein, weil der Anwalt durch die Möglichkeit der Akteneinsicht einen Informationsvorteil hat. Das Verkehrsrecht und die Rechtsprechung sind aber mittlerweile so komplex geworden, dass es eines erfahrenen Experten für Verkehrsrecht bedarf, um die Erfolgsaussichten eines Einspruchs einzuschätzen und diesen erfolgreich durchzusetzen. Manche spezialisierten Anwaltskanzleien bieten an, den Sachverhalt mit dem Betroffenen zunächst kostenlos zu prüfen und ihm dann eine Abschätzung der Erfolgsaussichten und der Kosten zu machen, bevor ein Mandat erteilt wird. Eine Verkehrsrechtsschutz-Versicherung wird die Kosten in der Regel übernehmen, wenn der Anwalt ausreichende Erfolgschancen sieht. Der Anwalt klärt die Kostenübernahme normalerweise selbst mit der Versicherung.
In der Regel lohnt sich ein Einspruch um so eher, desto höher und empfindlicher die zu erwartende Strafe ist. Benutzen Sie einfach unseren kostenlosen Bußgeldrechner, um zu einer ersten Einschätzung zu gelangen.
Zeitlicher Ablauf des Bußgeldverfahrens
Grundsätzlich gilt für Bußgeldverfahren eine Verjährungsfrist von 3 Monaten. Wann aber beginnt diese Frist zu laufen? Einige Beispiele:
Fall 1: Bußgeldbescheid ohne Anhalten des Fahrzeugs
- aufgrund einer Messung mit einer stationären Messanlage
- aufgrund einer Messung mit einem mobilen Blitzer, sofern das Fahrzeug nicht sofort nach dem Verstoß angehalten wurde
- aufgrund einer Abstandsmessung mit Videoanlage
In diesen Fällen beginnt die dreimonatige Verjährungsfrist zunächst mit dem Zeitpunkt des Vergehens. Wenn innerhalb von drei Monaten kein Anhörungsbogen oder Bußgeldbescheid zugestellt worden ist, gilt die Tat als verjährt. Es gibt allerdings Ausnahmen, zum Beispiel wenn die Behörde das Schreiben nicht zustellen konnte, weil keine rechtsgültige Zustelladresse vorhanden war. Mit Zustellung des Anhörungsbogens beginnt erneut eine dreimonatige Verjährungsfrist. Wird ein Bußgeldbescheid zugestellt, beträgt die Frist sechs Monate.
Fall 2: Bußgeldbescheid infolge eines Vergehens mit Anhalten des Fahrzeugs
Wird der Fahrer aufgrund eines Verkehrsverstoßes angehalten, so werden in der Regel die Identität des Fahrers, der Fahrzeughalter und ggf. weitere Details zum Tathergang vor Ort ermittelt. Dies stellt quasi eine „Anhörung“ vor Ort dar, und daher beginnt die dreimonatige Verjährungsfrist sofort zu laufen. Erfolgt eine weitere Anhörung per Post, so wird die laufende dreimonatige Verjährungsfrist davon nicht unterbrochen. Anders bei der Zustellung eines Bußgeldbescheides: Hier beginnt die sechsmonatige Frist mit dem Zugang. In allen Fällen gibt es aber weitere Gründe zur Aussetzung der Verjährungsfristen, zum Beispiel Eingang der Akten bei Gericht, Festlegung eines Verhandlungstermins usw.
Der Betroffene selbst kann nur schwer ermitteln, ob tatsächlich eine Verjährung eingetreten ist, da dies nur durch Akteneinsicht mit Sicherheit festgestellt werden kann. Die Akteneinsicht ist aber mit wenigen Ausnahmen nur einem Anwalt möglich. Die Akteneinsicht selbst unterbricht die Verjährungsfristen übrigens nicht.
Fall 3: Alkohol- und Drogendelikte im Straßenverkehr
Für derartige Vergehen gelten deutlich längere Verjährungsfristen, nämlich sechs Monate bei Fahrlässigkeit, zwölf Monate bei Vorsatz.
Fall 4: Straftat im Straßenverkehr
Für Straftaten gelten die im Strafgesetzbuch vorgesehenen Verjährungsfristen von mindestens drei Jahren gemäß §78 StGB. Wird ein Vergehen sowohl als Ordnungswidrigkeit als auch als Straftat verfolgt, können unterschiedliche Fristen gelten. Dies ist von Bedeutung, wenn die Straftat nicht nachgewiesen werden kann und das Strafverfahren eingestellt wird. In diesem Falle wäre zu prüfen, ob die Ordnungswidrigkeit nicht verfolgt werden kann, weil sie bereits verjährt ist.
Weitere Fristen
Falls es in Folge eines Einspruchs zu einer Gerichtsverhandlung kommt, kann dies mitunter sehr lange dauern. Viele Gerichte sind überlastet, so dass Wartezeiten von mehr als einem halben Jahr keine Seltenheit sind. Zieht sich das Verfahren – aus welchen Gründen auch immer – über mehr als zwei Jahre hin, wird ein Fahrverbot in der Regel nicht mehr durchgesetzt.
Formale Bedingungen zur Einlegung eines Einspruchs
Liegt der Bußgeldbescheid vor, so kann der Betroffene innerhalb der Einspruchsfrist (in der Regel binnen 14 Tagen) Einspruch einlegen. Dabei beginnt die Frist stets mit dem ersten Werktag, der der Zustellung folgt. Sie soll auch mit einem Werktag enden. Wenn also das errechnete Fristende auf einen Sonntag oder Feiertag fällt, gilt der erste darauf folgende Werktag als letzter möglicher Tag für den Einspruch. Beachten Sie jedoch, dass der Sitz der Behörde und nicht der Wohnsitz des Betroffenen gilt – nicht alle Feiertage sind bundesweit! Zur Einhaltung der Frist ist es erforderlich, dass der Einspruch bei der Behörde eingeht. Dies kann notfalls per Fax erfolgen. Ein Einspruch per E-Mail ist nicht unbedingt empfehlenswert, da nicht abschließend rechtlich geklärt ist, ob ein solcher Einspruch die formalen Voraussetzungen wahrt.
Gute Anwälte für Verkehrsrecht werden Ihnen in der Regel eine kostenlose Einschätzung geben, ob sich in Ihrem Falle ein Einspruch lohnen kann. Eine erste Einschätzung kann Ihnen unser Bußgeldrechner geben.